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                            a-t 1992; Nr.11: 110nächster Artikel
Im Blickpunkt

ZUR BEHANDLUNG DES IDIOPATHISCHEN ÖDEMS

Ein Flüssigkeitsretentionssyndrom – auch zyklisches idiopathisches Ödem genannt – tritt vorwiegend bei Frauen nach Eintritt der Geschlechtsreife mit einem Gipfel in der 3. und 4. Lebensdekade auf. Es ist nicht Bestandteil des prämenstruellen Spannungssyndroms, auch wenn es gelegentlich damit vergesellschaftet sein kann. Es besteht kein Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus. Als begünstigende Faktoren gelten Übergewicht, heißes Wetter, längeres Stehen und lange Flugreisen.

Welche pathophysiologische Ursache hinter dem idiopathischen Ödem steht, gibt Rätsel auf. Vermutet wird eine anormale kapilläre Funktion, wodurch Plasmaflüssigkeit ins interstitielle Gewebe eindringen kann. Die Betroffenen retinieren große Salz- und Wassermengen in aufrechter Position. Das Plasmavolumen fällt in der Orthostase exzessiv ab.

Die Patientinnen klagen über episodisch vorkommende Schwellungen an Füßen, Händen, Brüsten, im Bauchbereich und im Gesicht. Es kann zu einer Gewichtszunahme von 2 kg und mehr im Tagesablauf bis zum Abend kommen. Es empfiehlt sich, ein Tagebuch führen zu lassen und die Morgen- und Abendgewichte ohne Kleidung nach Blasenentleerung zu protokollieren.

Die Diagnosesicherung beruht auf dem Ausschluß anderer Ödemursachen von seiten des Herzens, der Nieren oder der Leber bzw. einer Hypoalbuminämie. Auch ist eine venöse oder lymphatische Obstruktion auszuschließen, eine Hypothyreose sowie chronische Verwendung von Diuretika oder nichtsteroidalen Entzündungshemmern.

Therapiestandards fehlen. Begünstigende Faktoren wie langes Stehen sind auszuschalten. Mit Kompressionsstrumpfhosen, ggf. in Kombination mit Lymphdrainage, wird versucht, das lageabhängige Versacken von Plasmawasser im interstitiellen Gewebe der Füße zu verringern. Übergewicht erfordert ggf. eine besondere Diät – am besten ärztlich überwacht und von einer Diätassistentin beraten. Aufenthalt im Wasser oder Schwimmen erhöht das Plasmavolumen durch Steigerung des interstitiellen hydrostatischen Drucks.

Sogenannte kapillarabdichtende Medikamente scheinen nicht zu helfen. Diuretika sind wenig zweckmäßig und können sogar die Beschwerden verschlimmern, da durch sie das Plasmavolumen absinkt und sich dann sekundär eine renale Salz- und Wasserretention ausbildet. Beim Diuretika-induzierten idiopathischen Ödem kann durch ausgeprägte Gegenregulation ein sekundärer Aldosteronismus entstehen. Die Beschwerden bessern sich, wenn fehlindizierte chronisch eingenommene Diuretika schrittweise im Verlauf von drei Wochen reduziert werden und eine kochsalzarme Ernährung eingeleitet wird.

Wenn überhaupt eine ausschwemmende Behandlung versucht wird, sollen Diuretika nur in Niedrigdosen Verwendung finden. Empfohlen werden Amilorid (5 mg/Tag), Triamteren (50 mg/Tag [JATROPUR]) oder Triamteren kombiniert mit einem Thiazid (z.B. mit 2,5 mg Bendroflumethazid [1/2 Tablette SINESALIN]). Schleifendiuretika sind wegen ihrer brüsken Diuresefolgen und den negativen Auswirkungen auf das Plasmavolumen im Stehen tunlichst zu vermeiden (vgl. a-t 10 [1988], 89).

FAZIT: Die symptomatische Flüssigkeitsretention mit exzessiver Gewichtszunahme während des Tages kommt, unabhängig vom Menstruationszyklus, auch bei sonst gesunden Frauen vor. Eine medikamentöse Behandlung hilft oft nicht weiter. Begünstigende Faktoren sind daher auszuschalten und wo immer möglich nicht-pharmakologische Behandlungsversuche vorzunehmen. Die Verwendung von Diuretika wird kontrovers beurteilt. Sie gehören allenfalls zu den Mitteln der letzten Wahl.

Drug Ther. Bull. 29 (1991), 35/ati d


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