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Die Information für medizinische Fachkreise
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                            a-t 1992; Nr. 7: 66nächster Artikel
Im Blickpunkt

ES LOHNT SICH, NEBENWIRKUNGEN
AN DAS NETZWERK ZU MELDEN

Im Juni 1992 verließen die aus Tierorganen hergestellten Injektionspräparate ARUMALON (vgl. a-t 6 [1992], 59) und ARTEPARON vorläufig den bundesdeutschen Arzneimittelmarkt. Anlaß bilden Sicherheitsmaßnahmen im Gefolge tödlich verlaufender Zwischenfälle, die dem NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION des arznei-telegramm zugeleitet wurden (NETZWERK-Fälle 5521 und 5589).

Das aus den 60er Jahren als Altlast bis heute ohne Wirksamkeitsnachweis verkaufte ARTEPARON war 1982 erstmals Gegenstand der Berichterstattung im arznei- telegramm (vgl. a-t 10 [1982], 91), nachdem die Schweizerische Überwachungsbehörde IKS auf immunallergische Reaktionen mit tödlichem Ausgang nach parenteraler ARTEPARON-Anwendung hingewiesen hatte. 1986 bescheinigte die zuständige Nachzulassungskommission dem aus Rinderlunge und Trachealknorpel gewonnenen Mittel fehlende Wirksamkeit, aber nicht vertretbare Risiken bei der i.m.-Injektion. Deshalb durfte es nur noch intraartikulär gegeben werden. Nach weiteren Todesfällen ordnete das Bundesgesundheitsamt für ARTEPARON 1988 ein vorläufiges Ruhen der Zulassung an. Der betroffene pharmazeutische Anbieter zweifelte die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung vor dem Verwaltungsgericht Berlin (AZ VG 14A 482.88) an und obsiegte im ersten und zweiten Rechtszug, weil Parteigutachten Harmlosigkeit und Nutzen suggerierten.

ARTEPARON kam wieder auf den Markt. Die Nachfrage blieb erhalten. 1990 fanden rund 100.000 Pakkungen ARTEPARON mit 5 Ampullen Absatz.

Bundesgesundheitsamt und Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft blieben noch im Juni 1992 untätig, als weitere schwere Zwischenfälle für ARTEPARON eine neue Nutzen-Risiko-Bewertung erzwangen. Aus dem BGA verlautete, man verfolge die Angelegenheit mit "besonderem Interesse" (Süddeutsche Zeitung vom 25. Juni 1992).

In zwei Stellungnahmen stellten wir der Fa. Luitpold Kenntnisstand und Rechtslage auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar mit Kopie für die Staatsanwaltschaft Potsdam, die die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Unbekannt im Falle einer anaphylaktischen Reaktion mit Todesfolge aufgenommen hatte.

"Mangels ausreichender Befunde" wollte Luitpold zuwarten, schrieb dann aber wohl unter dem Druck der strafrechtlichen Konsequenzen am 1. Juli 1992 einen Rote-Hand-Brief an Fachkreise: "Trotz des nach wie vor ungeklärten Kausalzusammenhangs" werde "ARTEPARON im Interesse der Arzneimittelsicherheit ... ab sofort nicht mehr ausgeliefert."

Wir halten es für eine wesentliche ärztliche Aufgabe, frühzeitig auf von Arzneimitteln ausgehende Gefahren und auf alternative therapeutische Strategien hinzuweisen. Hierbei helfen uns die Meldungen unserer Leser an das NETZWERK. Dies wird uns von anderen Meldeeinrichtungen verübelt, die Erkenntnismaterial zurückhalten.

Im Gegensatz zur Arzneimittelkommission betrachten wir Zwischenfälle nicht als "Privateigentum" oder "Betriebsgeheimnis" der betroffenen Firmen, denn Risikodaten dürfen – im Gegensatz zur Praxis des Bundesgesundheitsamtes – nicht als Herrschaftswissen mißbraucht werden. Sie müssen für alle Beteiligten abrufbar sein.

Deshalb haben wir mit dem NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION ein Instrument zur gegenseitigen Risikoinformation geschaffen. Aus der steigenden Zahl der NETZWERK-Korrespondenten schließen wir auf die Akzeptanz unserer Idee der gegenseitigen Information. Ohne NETZWERK wären heute ARTEPARON und ARUMALON noch auf dem Markt.


© 1992 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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