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Im Blickpunkt

ERFOLGLOS: KALZIUMDOBESILAT (DEXIUM)
BEI DIABETISCHER RETINOPATHIE

Spezialisten auf dem Gebiet der diabetischen Retinopathie werden nicht müde zu betonen, daß es keine medikamentöse Therapie dieses diabetischen Folgeschadens gibt.1 Aufgrund neuerer Langzeitstudien mit 7 bis 10 Jahren Dauer2,3 besteht allerdings die berechtigte Erwartung, daß eine langfristig gute Diabeteseinstellung mit Blutzuckerwerten ≤ 150 mg/dl (entsprechend einem HbA1c ≤ 7%) über Jahrzehnte (!) die diabetische Retinopathie verhindern kann. Dennoch werden kostbare Ressourcen statt für die Effektivierung der Diabeteseinstellung für die Verordnung von Kalziumdobesilat (DEXIUM; 41 Millionen DM), Pentoxifyllin (TRENTAL u.a., über 200 Mio DM für alle Pentoxifyllin-Präparate) oder andere dubiose Durchblutungsförderer aufgewendet. Dabei geht der Trend der DEXIUM-Verordnung zu höheren Dosierungen und zu immer längerer Anwendung (Herstellerempfehlung 1985: 2 bis 3 x tgl. 250 mg bzw. 1 bis 2 x 500 mg; 1992: 1 bis 6 x tgl. 250 mg bzw. 1 bis 3 x tgl. 500 mg).

In den insgesamt nur vier plazebokontrollierten Arbeiten mit angiographischer Beurteilung des Augenhintergrundes4-7 unterscheidet sich Kalziumdobesilat im Therapieerfolg nicht von Plazebo:

Für Kalziumdobesilat sind wegen seiner Flavonstruktur und dafür berichteter Fieberschübe immunallergische Reaktionen zu postulieren (vgl. a-t 1 [1989], 8). Eine 64jährige Patientin, die wegen diabetischer Retinopathie Kalziumdobesilat einnahm, erkrankte an einer generalisierten Pyodermie und Fieber bis 40°C.8 Acht Monate später kam es zu einem weiteren Schub mit Pyodermie, Fieber und Agranulozytose. Die Patientin hatte beide Male vor dem Auftreten der Erkrankung 15 bzw. 3 Wochen täglich 2 x 500 mg Kalziumdobesilat eingenommen. Der Lymphozytentransformationstest zeigt eine signifikante Stimulation durch Kalziumdobesilat 4, 8 und 14 Wochen nach dem zweiten Auftreten der Agranulozytose. Die Untersuchungsergebnisse sprechen eindeutig für eine arzneimittelinduzierte Agranulozytose auf immunallergischer Grundlage.

Für Pentoxifyllin fand sich im Untersuchungszeitraum 1966 bis 1991 über Medline-Recherche keine einzige kontrollierte Studie zur Anwendung bei diabetischer Retinopathie.

FAZIT: Kalziumdobesilat (DEXIUM) und Pentoxifyllin (TRENTAL u.a.) erachten wir auf Grundlage der Literatur als unnötige und teure Plazebos zur Behandlung der diabetischen Retinopathie (vgl. a-t 1 [1990], 5). Wegen zum Teil schwerer Störwirkungen wie immunallergische Reaktionen mit Arzneimittelfieber9 (vgl. a-t 1 [1989], 8) und Ösophagusverätzung10 ist die Nutzen-Risiko-Abwägung für Kalziumdobesilat eindeutig negativ.


© 1992 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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