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Neu auf dem Markt

FLUCONAZOL (DIFLUCAN, FUNGATA)
IM VERGLEICH MIT BEWÄHRTEN ANTIMYKOTIKA

Zytostatika, Steroide und Breitspektrumantibiotika begünstigen bei schwerkranken, immungeschwächten Patienten Infektionen mit Pilzen, bei denen es sich meistens um pathogene Hefen handelt. Während Schleimhautmykosen mit den verfügbaren Mitteln (Nystatin, Clotrimazol) ausreichend behandelt werden können (vgl. a-t 12 [1985], 96), begrenzen bei Systemmykosen unerwünschte Wirkungen die Verwendung des Polyen-Antimykotikums Amphotericin B (AMPHO-MORONAL) allein oder in Kombination mit dem synergistisch wirkenden Flucytosin (ANCOTIL).

Aufgrund seiner guten Wirksamkeit gilt Amphotericin B als "Goldstandard" unter den Pilzmitteln (vgl. a-t 9 [1988], 78). Ketoconazol (NIZORAL) wirkt bei systemischen Infektionen weniger gut. Außerdem hemmt es dosisabhängig die Steroidhormonsynthese. Wegen zum Teil lebensbedrohlicher immunallergischer Reaktionen (Hepatotoxizität, Schüttelfrost, Temperaturanstieg u.a.) mußten die Indikationen für Ketoconazol eingeschränkt werden (vgl. a-t 11 [1984], 92, 1 [1985], 7).1

Das seit Sommer 1990 zur oralen und parenteralen Anwendung erhältliche Triazol-Antimykotikum Fluconazol (DIFLUCAN, FUNGATA) steht chemisch Imidazol-Derivaten wie Ketoconazol nahe und wird als "gut verträglich, flexibel und einfach" zur "risikoarmen Mykosetherapie" angeboten.13

EIGENSCHAFTEN: Fluconazol ist besser wasserlöslich als Ketoconazol und wird nach Einnahme per os nahezu vollständig und nahrungsunabhängig absorbiert. Die Plasmaeiweißbindung ist mit 12% gering. Fluconazol wird kaum metabolisiert und überwiegend unverändert renal (80%) ausgeschieden. Im Liquor cerebrospinalis liegen 50-90% der Serumkonzentrationen vor, während Ketoconazol dort nur Spiegel von 10% erreicht. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 30 Stunden (Ketoconazol 8 Stunden). Für beide Antimykotika wird die einmal tägliche Einnahme empfohlen. Fluconazol verweilt jedoch länger im Körper, wenn unerwünschte Wirkungen auftreten.2

WIRKUNGEN: Fluconazol hemmt wie die übrigen Azol-Antimykotika die für den Aufbau der Zellmembran notwendige Cytochrom P450- abhängige Ergosterolsynthese der Pilze. Im Unterschied zu Ketoconazol wirkt es nur gering auf das menschliche Cytochrom P450, so daß die Steroidhormonsynthese nicht beeinflußt werden soll. Da für Antimykotika standardisierte Testmethoden fehlen, wie sie für die Antibiotikavorprüfung üblich sind, lassen sich aus der in vitro-Wirksamkeit gegen eine Vielzahl von Pilzen kaum Rückschlüsse für die klinische Anwendung ziehen.

WIRKSAMKEIT: Fluconazol ist zugelassen zur Behandlung von Mykosen, die durch Hefepilze (Candida und Kryptokokken) hervorgerufen werden. Bei Schleimhautcandidosen des Oropharynx und Ösophagus wirken 50-200 mg Fluconazol täglich genauso gut wie 200-400 mg Ketoconazol.3 Fluconazol ist außerdem zugelassen gegen chronisch-atrophische Mundhöhlencandidosen und bronchopulmonale Schleimhautinfekte. Für die Beurteilung der prophylaktischen Gabe von Fluconazol bei Abwehrgeschwächten reichen die vorliegenden Daten nicht aus.4 Der Nutzen eines solchen "zeitlich begrenzten Behandlungsversuches", wie ihn der Hersteller für angezeigt hält, dürfte eher bei Krebspatienten in der Neutropeniephase gerechtfertigt sein. Bei AIDS-Patienten werden die Schleimhäute aufgrund der Immunschwäche nach Beendigung der Fluconazol- Anwendung rasch wieder besiedelt.

Schwere Systemcandidosen mit Infektion von Peritoneum, Lungen oder Harnwegen, wie sie vor allem bei abwehrgeschwächten Tumor- und AIDS- Kranken auftreten, können mit täglich 200-400 mg Fluconazol behandelt werden. Der Nutzen von Fluconazol ist im Vergleich zu Amphotericin B und Flucytosin nicht hinreichend belegt,5,6 so daß die Kombination von Amphotericin B und Flucytosin Standardtherapie bleibt. In einer Studie besserten sich unter Fluconazol die Befunde bei einigen Patienten, wenn zuvor Amphotericin B erfolglos blieb oder nicht vertragen wurde.6

Solange fraglich ist, welche AIDS-Patienten mit Kryptokokken-Meningitis von einer Fluconazol-Behandlung profitieren, wird empfohlen, diese schwere ZNS-Komplikation weiterhin mit Amphotericin B und Flucytosin zu behandeln.5,7 Einige Autoren empfehlen bei Kryptokokkose eine Dreifachkombination von Amphotericin B, Flucytosin und Fluconazol.12 Zur anschließenden Rezidivprophylaxe scheint sich jedoch Fluconazol besser zu eignen als Amphotericin B.8

Seit September 1990 ist Fluconazol unter dem Warenzeichen FUNGATA auch zur Eindosis-Behandlung der vaginalen Candida-Infektion erhältlich. Günstigstenfalls wirkt es dabei geringfügig besser als topische Antimykotika wie Clotrimazol (CANESTEN Vaginalovula u.a.), so daß es als Reservetherapeutikum Frauen mit rezidivierendem vaginalen Soorbefall vorbehalten bleiben soll, die auf die Lokaltherapie nicht ansprechen bzw. mit der Ovulatherapie nicht zurechtkommen.9 Der Werbehinweis des Anbieters auf "schnellere Beschwerdefreiheit" beinhaltet eine marketingbegründete Fehlinformation.

DOSIERUNG: Zur Behandlung von Schleimhautinfekten reichen einmal täglich 50-100 mg Fluconazol. Gegen schwere systemische Mykosen sind initial einmal 400 mg, gefolgt von 200-400 mg täglich erforderlich. Die Dosis sollte reduziert werden, wenn die Kreatinin-Clearance unter 40 ml pro Minute beträgt.10 Zur Therapie des rezidivierenden vaginalen Soorbefalls reicht die einmalige Einnahme von 150 mg aus.


KOSTEN: Die Tageskosten für 50-400 mg Fluconazol per os betragen rund 10,- bis 70,- DM (s. auch Kasten). Parenteral entstehen Kosten von 42,- bis 45,- DM pro 100 mg.

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Aufgrund der vergleichsweise geringen Erfahrungen lassen sich die Risiken von Fluconazol nur eingeschränkt beurteilen. Nach Herstellerunterlagen beträgt die Häufigkeit unerwünschter Wirkungen insgesamt 16%. Übelkeit, Kopfschmerzen, Exantheme, abdominale Schmerzen, Erbrechen und Durchfall werden beobachtet. Bei sieben an AIDS erkrankten Patienten zeigten sich schwere Hautreaktionen im Sinne eines STEVENS-JOHNSON- bzw. LYELL-Syndroms.2 Der Hersteller empfiehlt, Fluconazol beim Auftreten von Blasen oder eines Erythema multiforme abzusetzen.10

Ob Fluconazol weniger immunogen und damit weniger lebertoxisch wirkt als Ketoconazol, läßt sich derzeit nicht abschätzen. Mehrere behandelte Patienten erkrankten an Hepatitis.2,3 Bei einem "klinisch relevanten Anstieg der Leberenzyme" empfiehlt Pfizer, Nutzen und Risiken abzuwägen.10 Fluconazol ist das zweite in der Bundesrepublik erhältliche Triazol-Antimykotikum. 1988 mußte die Firma Cilag das Triazol TERCOSPOR 160 mg Vaginalovula zurückrufen, nachdem wir im arznei-telegramm auf ein grippeähnliches Syndrom nach Anwendung von TERCOSPOR Suppositorien aufmerksam gemacht hatten. Ungeklärt ist, ob alle Triazol-Strukturen immunallergische Reaktionen auslösen können (vgl. a-t 9 [1988], 81, 11 [1988], 99).

INTERAKTIONEN: Fluconazol erhöht die Toxizität des Antiepileptikums Phenytoin (ZENTROPIL u.a.). Die Wirkung von Sulfonylharnstoff- Antidiabetika und Cumarin-Antikoagulantien wird verstärkt. Unter gleichzeitiger Therapie mit Rifampicin (RIFA u.a.) kommt es möglicherweise häufiger zu Rückfällen von Kryptokokken-Meningitiden.11

FAZIT: Das mit Tageskosten bis zu 70,- DM teure Azol-Antimykotikum Fluconazol (DIFLUCAN, FUNGATA) ist zur Behandlung systemischer und chronisch- rezidivierender lokaler Candida-Infekte, rezidivierendem Vaginalsoor, Kryptokokken-Meningitis sowie zur Prophylaxe von Kryptokokken-Meningitiden bei AIDS- Kranken und Candida-Infektionen abwehrgeschwächter Patienten bestimmt.

Bisher ist die Wirksamkeit nur für die Schleimhautinfektionen von Oropharynx, Ösophagus und Vagina, die mit den verfügbaren Therapeutika ausreichend behandelt werden können, hinreichend belegt. Fluconazol ist auf den Markt gekommen, ohne daß sein Nutzen bei systemischen Candidainfekten und Kryptokokken-Meningitiden im Vergleich mit Amphotericin B (AMPHOTERICIN B z. Inj.) und Flucytosin (ANCOTIL) überzeugend dokumentiert erscheint. Fragen zur sinnvollen Verwendung von Fluconazol und dessen Risiken bleiben offen.



© 1990 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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