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Notfallkontrazeption – hormonelle Kontrazeptiva können Effekt von Ulipristal (ELLAONE) mindern

Die US-amerikanische Produktinformation des Notfallkontrazeptivums Ulipristal (ELLAONE; a-t 2015; 46: 1-2 und 30-1, 2013; 44: 21-2) trägt neuerdings einen Warnhinweis, wonach hormonelle Kontrazeptiva frühestens fünf Tage nach Einnahme des Progesteronrezeptormodulators angewendet werden dürfen. Hintergrund sind Hinweise auf eine Wirkabschwächung von Ulipristal durch den Gestagenbestandteil der Kontrazeptiva, die auf eine Konkurrenz am Progesteronrezeptor zurückgeführt wird.1,2 An klinischen Studien mit Ulipristal durften nur Frauen teilnehmen, die zuvor keine hormonellen Verhütungsmittel angewendet hatten und die bis Studienende darauf verzichteten.3-5 Ob Ulipristal Schwangerschaften ebenso verhindert, wenn nach der Einnahme die Anwendung einer regelmäßigen hormonellen Kontrazeption fortgesetzt oder neu begonnen wird, ist bislang nicht untersucht. Nach einem aktuell publizierten randomisierten plazebokontrollierten Crossover-Vergleich mindert die Einnahme einer Desogestrel-Minipille (CERAZETTE, Generika), beginnend am Tag nach der Anwendung des Notfallkontrazeptivums, den ovulationshemmenden Effekt von Ulipristal jedoch deutlich: Innerhalb von fünf Tagen nach Notfallkontrazeption kommt es unter Desogestrel in 13 von 29 Zyklen zum Eisprung, unter Plazebo nur in 1 von 29 Zyklen (45% versus 3%, p = 0,0054).6 In einer weiteren Studie, die ursprünglich darauf angelegt war, den Einfluss von Ulipristal auf die empfängnisverhütende Wirkung eines kombinierten oralen Kontrazeptivums mit Ethinylestradiol und Levonorgestrel (MICROGYNON u.a.) zu prüfen,7 ergibt sich ebenfalls der Verdacht auf eine Wirkabschwächung des Progesteronrezeptormodulators.2 Unter Einbeziehung der Daten aus beiden Studien wird in einer Post-hoc-Analyse auch für die Östrogen-Gestagen-Kombination gegenüber Plazebo ein numerisch höherer Anteil an Zyklen errechnet, in denen innerhalb von sechs Tagen nach Einnahme von Ulipristal ein Eisprung stattfindet (26% vs. 10%, p = 0,15).2 Während Anbieter HRA Pharma in den USA aufgrund dieser Daten von einer beeinträchtigten Wirksamkeit von Ulipristal durch Gestagen-haltige Kontrazeptiva ausgeht und ein fünftägiges Intervall vor der Anwendung hormoneller Verhütungsmittel als notwendig erachtet,2 ist eine entsprechende Änderung in Deutschland beziehungsweise Europa nach Auskunft der Firma nicht vorgesehen. Demnach sollen die Ergebnisse der beiden Studien „der EMA ausführlich dargelegt und für einen Warnhinweis in der Fachinformation von fünf Tagen Pause … für unzureichend befunden” worden sein.8 In der hiesigen Fachinformation wurde daher lediglich das Wort „umgehend” gestrichen,8 sodass es dort jetzt heißt, dass Frauen „nach der Anwendung von ELLAONE die Anwendung hormoneller Kontrazeption beginnen oder fortsetzen” können9 – eine unseres Erachtens nicht nur unzureichende, sondern regelrecht irreführende Formulierung, –Red.

  (R = randomisierte Studie)
1 HRA Pharma: US-am. Produktinformation ELLA, Stand März 2015
2 FDA: Clinical Pharmacology and biopharmaceutics Review(s), Febr. 2015;
http://www.a-turl.de/?k=lors
R  3 GLASIER, A.F. et al.: Lancet 2010; 375: 555-62
4 FINE, P. et al.: Obstet. Gynecol. 2010; 115: 257-63
R  5 CREININ, M.D. et al.: Obstet. Gynecol. 2006; 108: 1089-97
R  6 BRACHE, V. et al.: Hum. Reprod., online publ. am 23. Sept. 2015
R  7 CAMERON, S.T. et al.: Hum. Reprod. 2015; 30: 1566-72
8 HRA Pharma: Schreiben vom 3. Nov. 2015
9 HRA Pharma: Fachinformation ELLAONE, Stand Jan. 2015

© 2015 arznei-telegramm, publiziert am 13. November 2015

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