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Kurz und bündig

Zum zweiten Mal – Widerruf der Zulassung des Appetithemmers Amfepramon (REGENON, TENUATE)

Der europäische Pharmakovigilanzausschuss PRAC empfiehlt den Widerruf der Zulassung des verschreibungspflichtigen Appetithemmers Amfepramon (REGENON, TENUATE).1 Nach Auswertung aktueller Daten (a-t 2021; 52: 15) erachtet der PRAC diesen Schritt als erforderlich, da die bisherigen Maßnahmen zur Risikominderung nicht gegriffen haben. So wird die Anwendungsbeschränkung des amphetaminartigen indirekt sympathomimetisch wirkenden Appetithemmers auf maximal drei Monate nicht genügend eingehalten, wodurch Risiken wie pulmonale arterielle Hypertonie und Abhängigkeit steigen. Auch Gegenanzeigen wie kardiale bzw. psychiatrische Erkrankungen in der Vorgeschichte und Schwangerschaft werden unreichend beachtet, mit Folge kardialer und psychiatrischer Probleme sowie Gefährdung des Kindes. Weitere – erfolgversprechende – Maßnahmen findet der Pharmakovigilanzausschuss nicht. Daher soll Amfepramon jetzt in Deutschland, Dänemark und Rumänien, den drei EU-Ländern, in denen der Appetithemmer noch angeboten wird, vom Markt genommen werden.1 Ausreichende Wirksamkeitsbelege fehlen ohnehin: Die Fachinformationen weisen – 65 Jahre nach Markteinführung! – darauf hin, dass signifikante Daten über Veränderungen der Morbidität und Mortalität „noch nicht“ zur Verfügung stehen (s. auch a-t 2015; 46: 18-20).2 Nach einer 2017 publizierten systematischen Übersicht reicht die Evidenz nicht aus, um die von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA formulierten – uns niedrig angesetzt erscheinenden – Mindestanforderungen3 an die Effektivität gewichtsreduzierender Arzneimittel zu erfüllen (nach einem Behandlungsjahr mindestens 5% stärkere Gewichtsabnahme als unter Plazebo bei mindestens 35% der Anwendenden).4* Ein erster Zulassungsentzug 2001 durch die Europäische Kommission (a-t 2001; 32: 63; e a-t 2/2015) wurde im Jahr darauf durch den Europäischen Gerichtshof aus formaljuristischen Gründen einkassiert. Prompt wurden Amfepramon-Präparate wieder in den Handel gebracht, was unseres Erachtens auf mangelndes Bewusstsein der Firmen für vorbeugenden Verbraucherschutz schließen lässt (a-t 2003; 34: 24). Hormosan setzt sogar auf Doppelvermarktung (REGENON sowie AMFEPRAMON HORMOSAN als Generikum). Trotz der negativen Nutzen-Schaden-Bilanz erzielen die Anbieter – überwiegend Kyberg Pharma für TENUATE – Verkaufszahlen von jährlich 140.000 Packungen im Fabrikabgabewert von 4,8 Millionen Euro, –Red.

*Dies gilt auch für die ebenfalls analysierten, hierzulande bereits seit mehr als 25 bzw. 30 Jahren nicht mehr angebotenen Appetithemmer Fenproporex und Mazindol.4
1EMA: Pressemitteilung vom 10. Juni 2022; https://a-turl.de/ebje
2z.B. Hormosan: Fachinformation REGENON, Stand Febr. 2018
3FDA: Guidance for Industry – Developing Products for Weight Management (Draft Guidance) 2007, Rev.1; https://a-turl.de/mefy
4LUCCHETTA, R.C. et al.: CLINICS 2017; 72: 317-24

© 2022 arznei-telegramm, publiziert am 8. Juli 2022

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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