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Kurz und bündig

Ambroxol (MUCOSOLVAN, Generika) und Bromhexin (BISOLVON, Generika) - Nutzen-Schaden-Bilanz auf dem Prüfstand

Auf Antrag der belgischen Arzneimittelbehörde prüft die europäische Behörde EMA jetzt die Nutzen-Schaden-Bilanz des Mukolytikums Ambroxol (MUCOSOLVAN, Generika). Hintergrund ist eine Zunahme der Berichte über Überempfindlichkeitsreaktionen unter Ambroxol. In den letzten zwei Jahren ist die Rate der Meldungen über allergische Reaktionen vom Soforttyp (Typ I), die in der Nebenwirkungsdatenbank der EMA, Eudravigilance, erfasst werden, signifikant angestiegen. So wurden 43% von den insgesamt 132 Berichten zu anaphylaktischen Reaktionen seit 2012 erfasst. Es verdichten sich zudem Hinweise, dass Ambroxol auch für schwere Hautreaktionen vom verzögerten Typ (Typ IV) verantwortlich ist: Unter den 210 in Eudravigilance erfassten Meldungen sind mindestens 9, bei denen der kausale Zusammenhang mit Ambroxol aufgrund von Immuntests als wahrscheinlich oder definitiv gelten kann. Dies wird nach Auffassung der belgischen Behörde in den Fachinformationen nicht korrekt dargestellt, da der Originalhersteller eine Beteiligung von Ambroxol an diesen Reaktionen bestreitet.1 So kann laut den deutschen Fachinformationen das Auftreten von STEVENS-JOHNSON-Syndrom oder toxischer epidermaler Nekrolyse im zeitlichen Zusammenhang mit der Ambroxol-Verwendung in den meisten Fällen mit Grunderkrankung oder Begleitmedikation der Betroffenen erklärt werden. In anderen Fällen könnte das Anfangsstadium dieser schweren Hauterkrankungen, die mit unspezifischen grippeähnlichen Symptomen einhergehen können, als Indikation für den Gebrauch von Hustenmitteln fehlgedeutet werden. Unter den unerwünschten Effekten von Ambroxol werden diese Hautreaktionen nicht genannt.2 Ein dritter Grund für das jetzt gestartete Review ist der hohe Anteil der neueren Verdachtsberichte zu unerwünschten Effekten von Ambroxol, der Kinder und Jugendliche (35%) und insbesondere Kleinkinder (27%) betrifft. Die Nutzen-Schaden-Bilanz des Mittels erscheint der belgischen Behörde in allen zugelassenen Indikationen zweifelhaft. Da Ambroxol Metabolit von Bromhexin (BISOLVON, Generika) ist und Bromhexin ebenfalls mit allergischen Reaktionen in Verbindung gebracht wird,3 werden auch alle Bromhexin-Präparate einer Neubewertung unterzogen.1,3 Ambroxol wird - ohne hinreichende Nutzenbelege4-7 - vor allem bei Husten und Halsschmerzen vermarktet und ist hier rezeptfrei. Allein vom Ambroxoloriginal MUCOSOLVAN wurden 2013 über öffentliche Apotheken 8,7 Mio. Packungen verkauft. MUCOSOLVAN liegt damit auf Rang 15 der meist verkauften Arzneimittel in Deutschland. Das Expektorans Bromhexin, für das ebenfalls hinreichende Nutzenbelege fehlen,4,6 hat in Deutschland nur noch eine untergeordnete Marktbedeutung. Wir raten von der Anwendung beider Mittel ab, -Red.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 EMA: Article-31 referral: Ambroxol and bromhexine-containing medicines. Referral notification, 4. Apr. 2014;
http://www.a-turl.de/?k=mmen
2 Boehringer Ingelheim: Fachinformation MUCOSOLVAN Hustensaft, Stand Sept. 2013
3 EMA: Start of review of ambroxol and bromhexine, Presseerklärung vom 11. Apr. 2014;
http://www.a-turl.de/?k=urtw
M  4 SMITH, S.M. et al.: Over-the-counter (OTC) medications for acute cough in children and adults in ambulatory settings. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand März 2012; Zugriff Juni 2014
R  5 MALERBA, M. et al.: Pulm. Pharmacol. Ther. 2004; 17: 27-34
M  6 POOLE, P. et al.: Mycolytic agents for chronic bronchitis or chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Juli 2012; Zugriff Juni 2014
M  7 CHENOT, J.F. et al.: BMC Fam. Pract. 2014; 15: 45 (6 Seiten)

© 2014 arznei-telegramm, publiziert am 6. Juni 2014

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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