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Therapiekritik

TIOTROPIUM-LÖSUNG (SPIRIVA RESPIMAT)
… Sicherheitsstudie veröffentlicht

Das inhalative Anticholinergikum Tiotropium (SPIRIVA) gehört zu den langwirkenden Bronchodilatatoren zur Behandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Tiotropium mindert die Exazerbationsrate bei COPD sowohl im Vergleich zu Plazebo als auch im Vergleich zu den hier ebenfalls empfohlenen langwirkenden Betamimetika-Inhalaten wie Salmeterol (SEREVENT, Generikum).1 Die Mehrzahl der vorliegenden Studien, darunter alle Vergleiche mit Betamimetika, wurde mit dem älteren Pulverinhalat durchgeführt. Im Unterschied zum Pulverinhalat (Tagesdosis 18 µg), dessen Sicherheit durch die große vierjährige UPLIFT*-Studie hinreichend belegt ist (a-t 2008; 39: 111),2 ergibt sich in mehreren Einjahresstudien mit der neueren Inhalationslösung (SPIRIVA RESPIMAT, 5µg/Tag**) ein Risikosignal auf Übersterblichkeit gegenüber Plazebo (a-t 2010; 41: 118),3 möglicherweise besonders bei vorbestehenden Herzrhythmusstörungen oder anderen kardialen Erkrankungen.4

Aktuell wird die randomisierte doppelblinde TIOSPIR*-Studie publiziert, in der bei 17.135 Patienten zwei Dosierungen der Tiotropium-Inhalationslösung (die zugelassene Tagesdosis von 5 µg sowie täglich 2,5 µg) mit dem Pulverinhalat verglichen werden. Primärer Sicherheitsendpunkt ist die Gesamtsterblichkeit. Die Studie ist hier auf Nichtunterlegenheit beider Dosierungen der Lösung gegenüber dem Pulver angelegt. Darüber hinaus prüft die Studie die Überlegenheit von 5 µg Lösung pro Tag im Vergleich zum Pulver im Hinblick auf das Exazerbationsrisiko.5

Die im Mittel 65 Jahre alten Teilnehmer sind Raucher oder Exraucher und haben mehrheitlich eine mittelschwere bis schwere COPD. Die meisten sind vorbehandelt, jeweils rund 60% verwenden eingangs langwirkende Betamimetika bzw. inhalative Glukokortikoide, die in der Studie beibehalten werden können. 11% haben Herzrhythmusstörungen in der Vorgeschichte, 15% eine koronare Herzkrankheit (KHK). Wie in der UPLIFT-Studie gehören Herzinfarkte in den letzten sechs Monaten und Krankenhausaufnahmen wegen schwerer Herzinsuffizienz oder interventionsbedürftige lebensbedrohliche oder instabile Herzrhythmusstörungen in den letzten zwölf Monaten zu den Ausschlusskriterien.5

In allen Gruppen setzen jeweils 23% die Medikation vorzeitig ab. Nichtunterlegenheit gemäß Studienplanung wird für beide RESPIMAT-Dosierungen nachgewiesen: Im Verlauf von durchschnittlich 2,3 Jahren sterben unter dem Pulver 7,7% der Patienten, unter 5 µg Lösung 7,4% (Hazard Ratio [HR] 0,96; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,84-1,09) und unter 2,5 µg Lösung 7,7% (HR 1,00; 95% CI 0,87-1,14). Die Nachbeobachtung ist mit über 99% vollständig. Ähnliches ergibt sich, wenn nur die Zeit bis 30 Tage nach Absetzen der Studienmedikation betrachtet wird (5 µg: HR 0,91; 95% CI 0,79-1,06). Subgruppenmerkmale einschließlich KHK oder Rhythmusstörungen in der Vorgeschichte haben keinen Einfluss auf das Ergebnis. Signifikante Unterschiede finden sich auch nicht im Hinblick auf schwerwiegende unerwünschte Effekte. Myokardinfarkte kommen unter der Lösung aber jeweils numerisch häufiger vor als unter dem Pulver (1,3% bzw. 1,2% versus 0,9%).5

Vorteile der RESPIMAT-Zubereitung sind nicht erkennbar: 48% der Patienten in der 5-µg-Gruppe erleiden Exazerbationen, von denen 20% schwer verlaufen, im Vergleich zu 49% (davon 19% schwer) unter dem Pulver und 49% (davon 20% schwer) in der 2,5-µg-Gruppe.5

Der in TIOSPIR gewählte Nichtunterlegenheitsbereich ist mit 25% zwar relativ weit. Aufgrund der Ergebnisse lässt sich eine mehr als 10%ige relative Mortalitätssteigerung durch die zugelassene RESPIMAT-Zubereitung gegenüber dem Pulverinhalat jedoch mit einiger Zuverlässigkeit ausschließen. Da das Pulver insgesamt besser geprüft und ein Wirksamkeitsvorteil der Lösung nicht belegt ist, ziehen wir – auch angesichts möglicher vermehrter Herzinfarkte unter der Lösung – das Pulver vor. Kommen Patienten mit dieser Zubereitung nicht zurecht, scheint uns der Wechsel auf die Lösung aber vertretbar.

∎  Nach der großen Sicherheitsstudie TIOSPIR ist das Anticholinergikum Tiotropium als Lösung (SPIRIVA RESPIMAT) der älteren Pulverzubereitung von Tiotropium (SPIRIVA) im Hinblick auf die Sterblichkeit nicht unterlegen. Eine mehr als 10%ige relative Mortalitätssteigerung gegenüber dem Pulver lässt sich ausschließen.

∎  Da das Pulverinhalat insgesamt deutlich besser geprüft ist, die Lösung keine Wirksamkeitsvorteile bietet und möglicherweise mehr Herzinfarkte verursacht, ziehen wir das Pulver vor.

∎  Wenn Patienten mit dem Pulverinhalt nicht zurechtkommen, halten wir den Wechsel auf die Lösung für vertretbar.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 IQWiG: Tiotropiumbromid bei COPD, Abschlussbericht vom 26. Juni 2012; https://www.iqwig.de/download/A05-18_Abschlussbericht_Tiotropiumbromid-bei-COPD.pdf
R  2 TASHKIN, D.P. et al.: N. Engl. J. Med. 2008; 359: 1543-54
M  3 KARNER, C. et al.: Tiotropium versus placebo for chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Febr. 2012, Zugriff Okt. 2013
4 FDA: Briefing Document Pulmonary-Allergy Drugs Advisory Committee Meeting, 19. Nov. 2009; http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/ CommitteesMeetingMaterials/Drugs/Pulmonary-AllergyDrugsAdvi soryCommittee/UCM190463.pdf
R  5 WISE, R.A. et al.: N. Engl. J. Med., online publ. am 30. Aug. 2013 doi: 10.1056/NEJMoa1303342


* TIOSPIR = Tiotropium Safety and Performance in Respimat
UPLIFT = Understanding the Potential Long-term Impacts on Function with Tiotropium
** geringere Dosis wegen besserer Lungenverfügbarkeit der Lösung

© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 11. Oktober 2013

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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