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Korrespondenz

NOTFALLKONTRAZEPTION
... Levonorgestrel (PIDANA) statt Ulipristalazetat (ELLAONE) verordnen unethisch?

Gibt es eine neue Einschätzung zur Notfallkontrazeption mit Ulipristalazetat (ELLAONE)? HRA-Pharma macht zurzeit massiv Werbung für das Präparat. Man soll quasi den Eindruck bekommen, dass man für unnötige Schwangerschaftsabbrüche verantwortlich ist, wenn man nicht dieses Medikament, sondern das lang bewährte Levonorgestrel-Präparat (PIDANA) verordnet.

R. GOTTWALD (Pro Familia Mainz)
D-55116 Mainz
Interessenkonflikt: keiner

Eine Steilvorlage für seine aktuelle Werbung1 erhielt HRA-Pharma vom Berufsverband der Frauenärzte und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. In einem offenen Brief an den Deutschen Bundestag aus Anlass der Diskussion um die Entlassung von Levonorgestrel (LNG; PIDANA) aus der Rezeptpflicht behaupten die Präsidenten der beiden Fachgesellschaften, dass Levonorgestrel als "überholt" und Ulipristalazetat (UPA; ELLAONE) als "neuer Standard mit deutlich höherer Wirksamkeit" gelte. Nach Auffassung der beiden Autoren sollte es das Bestreben sein, "zukünftig nur noch UPA zu verordnen". Denn: "Wer sollte für Schwangerschaften die Verantwortung übernehmen, die wegen der Anwendung von LNG statt UPA zustande gekommen sind?"2 HRA-Pharma musste diese Sätze nur noch zitieren.

Die Datenlage hat sich allerdings seit unseren Bewertungen von Ulipristalazetat in den Jahren 2009 bis 2011 (a-t 2009; 40: 97-8, a-t 2011; 42: 71-2) nicht geändert. Im direkten Vergleich mit hochdosiertem Levonorgestrel ist für Ulipristalazetat in einer Anfang 2010 publizierten Phase-III-Studie zwar Nichtunterlegenheit dokumentiert, nicht aber Überlegenheit.3 Anderslautende Ergebnisse einer zusammen mit dieser Phase-III-Studie veröffentlichten Metaanalyse,3 nach der Ulipristalazetat angeblich überlegen ist, halten wir für nicht aussagekräftig, da in diese Auswertung auch die Daten einer Phase-II-Studie mit einer anderen, höher dosierten Ulipristalzubereitung einfließen und eine Gleichwertigkeit des zugelassenen Präparates mit dieser Zubereitung nicht hinreichend belegt ist (e a-t vom 18. Juni 2010). Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA berücksichtigt die Phase-II-Daten in ihrer Wirksamkeitsbewertung anlässlich der Zulassung von Ulipristalazetat nicht. Im US-amerikanischen Medical Review vom August 2010 heißt es ausdrücklich, dass eine Überlegenheit gegenüber Levonorgestrel nicht belegt werden konnte.4 Die amerikanische Academy of Pediatrics nennt in einem aktuellen Statement zur Notfallkontrazeption Levonorgestrel an erster Stelle und betont, dass dabei - im Gegensatz zur Anwendung von Ulipristal - eine bestehende Schwangerschaft nicht ausgeschlossen werden muss.5

In der Tat sehen wir den Vorteil von Levonorgestrel vor allem in den langjährigen Erfahrungen, die mit diesem Wirkstoff bestehen. Dabei sind nach epidemiologischen Studien fetale Fehlbildungen bei Versagen der Notfallkontrazeption nicht zu erwarten.6-8 Für Ulipristalazetat gibt es hingegen weiterhin kaum Sicherheitsdaten. Zudem ist dieser Wirkstoff bei unter 18-Jährigen kaum geprüft, da diese nur an einer der beiden Zulassungsstudien teilnehmen durften und dort lediglich 4% der Studienpopulation ausmachen.3 Ulipristalazetat kommt daher unseres Erachtens allenfalls an Tag 4 oder 5 nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr in Betracht, ein Zeitraum, für den die Notfallkontrazeption mit Levonorgestrel nicht zugelassen ist.8

Die Diskussion über Notfallkontrazeptiva und die nach wie vor bestehende Rezeptpflicht für hochdosiertes Levonorgestrel in Deutschland wird aktuell - neben den Berichten über Abweisung einer vergewaltigten Frau durch katholische Kliniken9 - auch durch den Onlineanbieter DrEd angeheizt, bei dem die "Pille danach" neuerdings bestellt werden kann.10 Wir sehen das Fernbehandlungssystem allerdings insgesamt eher kritisch (a-t 2012; 43: 95). Eine Entlassung des Levonorgestrel-haltigen Präparates aus der Verschreibungspflicht halten wir für den geeigneteren Weg.

∎  Bei Indikation für eine Notfallkontrazeption in den ersten 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr erachten wir das gut erprobte hochdosierte Levonorgestrel (PIDANA) für die bessere Wahl als Ulipristalazetat (ELLAONE). Überlegenheit von Ulipristalazetat gegenüber Levonorgestrel ist für diesen Zeitraum nicht belegt.

∎  Ulipristalazetat kommt unseres Erachtens allenfalls an Tag 4 und 5 nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr in Betracht.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 HRA-Pharma : ellaOne-News, ohne Datum
2 ALBRING, C., DIMPFL, T. : Schreiben vom 9. Nov. 2012
R,M  3 GLASIER, A.F. et al.: Lancet 2010; 375: 555-62
4 FDA: Medical Review Ulipristal acetate, 5. Aug. 2010;
http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/nda/2010/022474s000MedR.pdf
5 Committee on Adolesc., Am. Acad. Pediatr.: Pediatrics 2012; 130: 1174-83
6 De SANTIS, M. et al.: Fertil. Steril. 2005; 84: 296-9
7 ZHANG, L. et al.: Hum. Reprod. 2009; 24: 1605-11
8 HRA Pharma: Fachinformation PIDANA, Stand Juli 2010
9 GAJEVIC, M.: Berliner Ztg. vom 24. Jan. 2013
10 DrEd : Notfallverhütung mit der "Pille danach", ohne Datum
https://www.dred.com/de/pille-danach.html ;Zugriff am 13. Feb. 2013

© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 15. Februar 2013

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