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Marktrücknahme

SEPSISMITTEL DROTRECOGIN ALFA (XIGRIS) WELTWEIT VOM MARKT

Nach zehnjähriger Vermarktung nimmt Lilly das Sepsismittel Drotrecogin alfa (XIGRIS; a-t 2002; 33: 111-2) weltweit aus dem Handel. Anlass sind die enttäuschenden Ergebnisse der kürzlich abgeschlossenen PROWESS*-SHOCK-Studie, nach denen sich das rekombinante aktivierte Protein C bei septischem Schock nicht besser auf das Überleben der Patienten auswirkt als Plazebo.1

Das Therapieprinzip war von Anfang an umstritten. In der Zulassungsstudie PROWESS*2 wurde ein mortalitätssenkender Nutzen erst sichtbar, nachdem nach Aufnahme von knapp der Hälfte der Patienten die Einschlusskriterien deutlich verschärft und die Produktion des Mittels umgestellt worden waren.3 In der EU hatte Drotrecogin alfa nur eine Zulassung „unter außergewöhnlichen Umständen”, bei der die Behörde eine weniger robuste Datenbasis als üblich akzeptiert, die aber jährlich überprüft werden muss.1 In den USA wurde die Zulassung an die Forderung weiterer Studien geknüpft.3 Die Hälfte der FDA-Berater hatte mit Blick auf die methodischen Probleme der PROWESS-Studie allerdings eine Bestätigungsstudie vor der Zulassung gefordert.4

* PROWESS = Protein C Worldwide Evaluation in Severe Sepsis

In den nach Markteinführung durchgeführten Phase-III-Studien bleibt auch bei gemeinsamer Auswertung ein Nutzen aus. Das Risiko schwerwiegender Blutungen nimmt aber signifikant zu.5 Im klinischen Alltag scheint das Blutungsrisiko sogar noch höher zu sein als im Rahmen von Studien.6 2007 forderte die EMA daher eine weitere plazebokontrollierte Studie zu Nutzen und Sicherheit von Drotrecogin alfa, die mit der PROWESS-SHOCK-Studie jetzt vorliegt. Das Risiko schwerer Blutungen nimmt in PROWESS-SHOCK zwar nur unwesentlich zu (1,2% versus 1% unter Plazebo), die 28-Tage-Mortalität wird jedoch nicht gesenkt, sondern ist mit 26,4% versus 24,2% unter Verum numerisch sogar höher.1

Rückblickend ist zu fragen, wie sinnvoll die Zulassung auf der Basis einer einzigen, methodisch umstrittenen Studie ist, selbst wenn weitere Studien zur Auflage gemacht werden. Nicht nur konnte ein nutzloses, aber mit etwa 10.000 € pro Behandlungszyklus extrem teures Mittel zehn Jahre lang vermarktet werden. Ohne Zulassung hätte es vermutlich nicht zehn Jahre gedauert, den heutigen Kenntnisstand zu erreichen, –Red.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 EMA: Presseerklärung vom 25. Okt. 2011; http://www.emea.europa.eu/ docs/en_GB/document_library/Press_release/2011/10/WC500116970.pdf
R  2 BERNARD, G.R. et al.: N. Engl. J. Med. 2001; 344: 699-709
3 SIEGEL, J.P.: N. Engl. J. Med. 2002; 347: 1030-34
4 FDA: Transcript Anti-Infective Drugs Advisory Committee Meeting, 16. Okt. 2001; http://www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/01/transcripts/3797t1.htm
M  5 MARTI-CARVAJAL, A.J. et al.: Human recombinant activated protein c for severe sepsis. The Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand März 2011; Zugriff Nov. 2011
6 SWEENY, D.A. et al.: Crit. Care Med. 2009; 37: 327-9

© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 4. November 2011

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