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Nebenwirkungen

GEWALT DURCH MEDIKAMENTE: VARENICLIN (CHAMPIX) U.A.

Einige Arzneimittel werden auffällig häufig mit Gewaltimpulsen und Fremdgefährdung in Verbindung gebracht. US-amerikanische Autoren werten die Verdachtsberichte über schwerwiegende unerwünschte Wirkungen zu allen Medikamenten aus, für die der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA von 2004 bis September 2009 mehr als 200 solcher Meldungen zugegangen sind. Von den über 780.000 Berichten betreffen 1.937 Gewaltimpulse gegen Andere (0,25%), darunter 387 Tötungen, 404 körperliche Angriffe sowie 896 Mordgedanken. Auf 31 Medikamente, darunter 11 Antidepressiva, 6 Hypnotika, 2 Raucherentwöhnungsmittel und 3 Medikamente zur Therapie des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS), entfallen 79% der Meldungen.

Mit Abstand am häufigsten (408-mal) wird der zur Raucherentwöhnung verwendete partielle Nikotin-Azetylcholin-Rezeptoragonist Vareniclin (CHAMPIX; a-t 2007; 38: 118) verdächtigt. 3,6% der insgesamt 11.393 Meldungen zu Vareniclin betreffen Gewalt. Vergleicht man diesen Prozentsatz mit der prozentualen Häufigkeit der Berichte über Gewalt zu allen anderen Medikamenten insgesamt (0,2% von knapp 769.000), wird Vareniclin 18fach häufiger als Auslöser gemeldet. Die so errechnete proportionale Berichtsrate (PRR) beträgt also 18. Für Nikotin (NICORETTE u.a.) liegt diese Rate bei 1,9, für den zur Raucherentwöhnung wie auch zur Therapie der Depression zugelassenen Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Bupropion (ZYBAN, ELONTRIL) bei 3,9 (siehe Tabelle). Beendigung des Rauchens scheint somit nicht alleinige Ursache für die häufigen Berichte über Gewalt unter Vareniclin zu sein.1

Unter den Antidepressiva fallen Fluoxetin (FLUCTIN, Generika; a-t 2005; 36: 1-2) mit einer PRR von 10,9 und Paroxetin (SEROXAT, Generika; a-t 2009; 40: 40) mit einer PRR von 10,3 auf, während zum Beispiel für Amitriptylin (SAROTEN u.a.) bei insgesamt geringer Berichtshäufigkeit eine PRR von 4,2 errechnet wird.1

In Verbindung mit den zur Behandlung des ADHS verwendeten Amphetaminen und Atomoxetin (STRATTERA) wird numerisch häufiger über Gewalt berichtet als unter Methylphenidat (RITALIN u.a.; PRR = 9,6 und 9,0 versus 3,6). Unter den Hypnotika haben Triazolam (HALCION; PRR = 8,7) und Zolpidem (STILNOX u.a.; PRR = 6,7) die höchsten Raten.1

Das für ZNS-Störwirkungen wie Psychose bekannte Malariamittel Mefloquin (LARIAM; a-t 2002; 33: 89-90) fällt mit einer Rate von 9,5 auf.1

Auch in der Eudravigilanz-Datenbank der europäischen Arzneimittelbehörde EMA ist Vareniclin das Medikament mit den meisten Verdachtsmeldungen zu schwerwiegender Aggressivität und Gewalt.2 Bis Ende Februar 2011 waren es 473 Berichte unter Vareniclin gegenüber 66 unter Bupropion und 7 unter Nikotin.3 Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte lagen im Januar 2011 zu Aggression und Gewalt 8 Verdachtsberichte zu Vareniclin, 35 zu Bupropion und 4 zu Nikotin aus dem Inland vor.4

∎  0,25% der Verdachtsberichte schwerwiegender unerwünschter Wirkungen, die der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA innerhalb von knapp sechs Jahren zugingen, betreffen Gewaltimpulse gegen Andere.

∎  Am häufigsten wird das Raucherentwöhnungsmittel Vareniclin (CHAMPIX) mit Gewaltimpulsen in Verbindung gebracht. Auffällig geworden sind auch Antidepressiva wie Fluoxetin (FLUCTIN, Generika) und Paroxetin (SEROXAT, Generika), ADHS-Mittel wie Amphetamine und Atomoxetin (STRATTERA), Hypnotika wie Triazolam (HALCION) und das Malariamittel Mefloquin (LARIAM).

1 MOORE, T.J. et al.: PLoS One. 2010; 5: e15337 (5 Seiten)
2 EMA: Schreiben vom 14. April 2011
3 EMA: Schreiben vom 16. März 2011
4 BfArM: Schreiben vom 1. Febr. 2011

© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 19. August 2011

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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