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APIXABAN (ELIQUIS) ZUR THROMBOEMBOLIEPROPHYLAXE

Nach Rivaroxaban (XARELTO; a-t 2008; 39: 109-11) ist jetzt mit Apixaban (ELIQUIS) der zweite oral anwendbare Hemmstoff des Faktor Xa zur Thromboembolieprophylaxe nach Knie- und Hüftgelenksersatz zugelassen.1 Weitere Mittel aus der Wirkstoffklasse sind in Entwicklung.2,3,4 Gegenüber direkten Thrombin-Inhibitoren wie Dabigatran (PRADAXA) könnten Faktor Xa-Inhibitoren Vorteile bieten, da sie andere Gerinnungs- und Entzündungsprozesse nicht und die physiologische Gerinnung weniger beeinflussen sollen.

EIGENSCHAFTEN: Apixaban hemmt wie Rivaroxaban den Faktor Xa direkt, hochselektiv und reversibel und unterbricht damit die intrinsische und extrinsische Gerinnungskaskade. Der Wirkmechanismus ähnelt dem von Fondaparinux. Apixaban erreicht jedoch auch in Thromben, im Prothrombinase-Komplex oder an Thrombozyten gebundenen Faktor Xa und wirkt unabhängig von Antithrombin. Der Einfluss von Apixaban auf Prothrombinzeit, aktivierte partielle Thromboplastinzeit und INR ist unter üblichen Dosierungen gering und variabel. Die gerinnungshemmende Wirkung kann durch die Anti-Xa-Aktivität erfasst werden. Eine routinemäßige Bestimmung wird jedoch nicht empfohlen. Ein Antidot für Apixaban ist nicht bekannt; ggf. kann die Gabe von Faktor VIIa erwogen werden.1

KLINISCHE STUDIEN: Die Effektivität von zweimal täglich 2,5 mg Apixaban zur Thromboembolieprophylaxe bei großen orthopädischen Eingriffen ist in den drei randomisierten doppelblinden ADVANCE*-Studien an insgesamt 11.659 Patienten geprüft worden. In ADVANCE-15 wird Apixaban per os 10 bis 14 Tage lang mit zweimal täglich 30 mg Enoxaparin (CLEXANE) subkutan (nordamerikanische Dosierung), in ADVANCE-26 mit einmal täglich 40 mg Enoxaparin (europäische Dosierung) subkutan nach Kniegelenksersatz verglichen. ADVANCE-37 prüft Apixaban gegen einmal täglich 40 mg Enoxaparin über 32 bis 38 Tage nach Hüftgelenksersatz. Apixaban wird in allen drei Studien erstmals 12 bis 24 Stunden nach der Operation eingenommen. In ADVANCE-1 wird auch Enoxaparin erstmals 12 bis 24 Stunden postoperativ injiziert, in den beiden anderen Studien 12 Stunden präoperativ.

* ADVANCE = Apixaban Dose Orally vs. Anticoagulant with Enoxaparin

Den kombinierten primären Endpunkt bilden jeweils Tod jeder Ursache, nicht-tödliche Lungenembolien und klinische oder bei routinemäßiger Venografie entdeckte tiefe Venenthrombosen. Als "major" bezeichnete venöse Thromboembolien, eine Kombination aus proximalen tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien und thromboembolisch bedingtem Tod (ADVANCE-1: Tod jeder Ursache), sind als sekundärer Endpunkt prädefiniert. Bei Nachweis einer Nichtunterlegenheit von Apixaban sieht das Protokoll im zweiten Schritt einen Test auf Überlegenheit gegenüber Enoxaparin vor.

Die Patienten sind im Mittel 61 bis 67 Jahre alt, 53% bis 72% sind Frauen. Art und Dauer der chirurgischen Eingriffe, Anästhesieverfahren und anamnestische oder sonstige Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse unterscheiden sich zwischen den Behandlungsgruppen nicht. Nur 64% bis 72% der Patienten können hinsichtlich des primären Endpunkts analysiert werden, überwiegend wegen nicht durchgeführter oder nicht auswertbarer Venografien. Zur Bewertung symptomatischer Thromboembolien liegen Daten von allen Patienten vor.

In ADVANCE-1 misslingt der Nachweis einer Nichtunterlegenheit. Auch symptomatische Thromboembolien, eine Kombination aus symptomatischen Venenthrombosen und Lungenembolien, sowie Lungenembolien allein sind unter Apixaban numerisch häufiger als unter Enoxaparin. Für die europäische Zulassungsbehörde EMA ist die Studie nicht zulassungsrelevant, da Enoxaparin höher dosiert wurde als in Europa üblich.8 In ADVANCE-2 und 3 tritt der primäre Endpunkt unter Apixaban signifikant seltener ein als unter Enoxaparin. Auch die als "major" bezeichneten Thromboembolien sind seltener. Im Wesentlichen reduziert Apixaban distale Venenthrombosen. Der Unterschied bei symptomatischen Thromboembolien und Todesfällen ist nicht signifikant und bei proximalen Venenthrombosen nur gering .8 In den 60 Tagen nach der Prophylaxe treten symptomatische Thrombosen (2 versus 4), Lungenembolien (3 vs. 5) und Todesfälle (3 vs. 2) in beiden Studien unter Apixaban bzw. Enoxaparin in ähnlicher Zahl auf.6,7

Postoperativ werden beide Mittel meist erstmals am folgenden Morgen angewendet. Dieses unübliche Regime scheint vor allem für Enoxaparin nachteilig zu sein: Wird mit Enoxaparin früher als 18 Stunden postoperativ weiterbehandelt, sind "major"-Thromboembolien oder Todesfälle seltener als bei späterem Wiederbeginn (0,9% vs. 2,6%). Für Apixaban zeigt sich hier kein Unterschied (1,1% vs. 1,2%).8 In den Vergleichsstudien mit Rivaroxaban wurde Enoxaparin postoperativ bereits nach sechs bis acht Stunden wieder gegeben (a-t- 2008; 39: 109-11). Dennoch erscheinen die Daten für Rivaroxaban im indirekten Vergleich mit Apixaban hinsichtlich symptomatischer und proximaler Venenthrombosen günstiger.

VERTRÄGLICHKEIT: Schwere Blutungen mit Hb-Abfall um mindestens 2 g/dl, Transfusionsbedarf von mindestens 2 Erythrozytenkonzentraten, Notwendigkeit einer Reoperation, Beteiligung kritischer Organe wie Hirn und Auge oder mit tödlichem Verlauf kommen unter Apixaban und 40 mg Enoxaparin gleich häufig vor. Schwere und andere klinisch relevante Blutungen treten nach Kniegelenksersatz unter Apixaban numerisch seltener auf (3,5% vs. 4,8%, p = 0,09),5 nach Hüftgelenksersatz gleich häufig wie unter Enoxaparin (4,8% vs. 5,0%, p = 0,72).6 Während der Prophylaxe und Nachbeobachtung sind unter Apixaban und Enoxaparin in den drei ADVANCE-Studien zusammen Transaminasenanstiege über das Dreifache der Norm (1,4% vs. 1,7%) und Bilirubinanstiege über das Zweifache (0,8% vs. 0,5%) ähnlich und Thrombopenien (jeweils 0,1%), Infarkte (jeweils 0,2%), Insulte (jeweils 0,1%) und Todesfälle (jeweils 0,2%) gleich häufig.4-6,8 Bei gepoolter Analyse und Einbezug der Dosisfindungsstudie9 werden unter Apixaban schwerwiegende Nebenwirkungen gleich (6,6% vs. 6,7%) und Nebenwirkungen insgesamt ähnlich häufig beschrieben wie unter Enoxaparin (17,7% vs. 19,0%).8 Magen-Darm-Störungen wie Übelkeit (13,9%), Obstipation (10,7%) und Erbrechen (6,7%) dominieren neben Fieber (7,9%), Schmerzen (7,8%), peripheren Ödemen (6,3%), Hypotension (5,7%) und Schwindel (5,4%).8

KOSTEN: Zweimal täglich 2,5 mg Apixaban (ELIQUIS) werden mit 7,70 € pro Tag zum gleichen Preis wie Rivaroxaban (XARELTO, 1 x tgl. 10 mg) angeboten und 27% teurer als täglich 40 mg Enoxaparin (CLEXANE, 6 €/Tag).

∎  Mit Apixaban (ELIQUIS) ist jetzt der zweite oral anwendbare Faktor Xa-Inhibitor zur Thromboseprophylaxe nach Knie- und Hüftgelenksersatz zugelassen.

∎  Apixaban vermindert gegenüber der Standardprophylaxe mit täglich 40 mg Enoxaparin (CLEXANE) weder symptomatische Thromboembolien noch Lungenembolien oder Todesfälle.

∎  Der kombinierte Endpunkt aus tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien und Todesfällen ist unter Apixaban seltener. Vermindert werden vor allem asymptomatische distale, geringfügig auch proximale tiefe Venenthrombosen.

∎  Schwere und andere relevante Blutungen sind unter Apixaban ähnlich häufig wie unter 40 mg Enoxaparin.

∎  Auch sonst scheint die Verträglichkeit von Apixaban der von Enoxaparin zu gleichen. Die Erfahrungen sind jedoch wesentlich begrenzter.

∎  Einziger patientenrelevanter Vorteil von Apixaban gegenüber 40 mg Enoxaparin scheint bei derzeitigem Stand die Möglichkeit der Einnahme per os zu sein.

∎  Soll bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation gegenüber Enoxaparin auf einen Faktor Xa-Inhibitor ausgewichen werden, spricht die Datenlage im indirekten Vergleich derzeit jedoch eher für (Rivaroxaban (XARELTO).

  (R =randomisierte Studie)
1 Bristol-Myers Squibb/Pfizer: Fachinformation ELIQUIS, Stand Mai 2011
2 GARCIA, D. et al.: Blood 2010; 115: 15-20
3 MAVRAKANAS, T., BOUNAMEAUX, H.: Pharmacol. Ther. 2011; 130: 46-58
4 ERIKSSON, B.I. et al.: Annu. Rev. Med. 2011; 62: 41-57
R 5 LASSEN, M.R. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 594-604
R 6 LASSEN, M.R. et al.: Lancet 2010; 375: 807-15
R 7 LASSEN, M.R. et al.: N. Engl. J. Med. 2010; 363: 2487-98
8 EMA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) ELIQUIS, Stand Mai 2011
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/002148/WC500107726.pdf
R 9 LASSEN, M.R. et al.: J. Thromb. Haemost. 2007; 5: 2368-75

© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 8. Juli 2011

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