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Abschwächung der ASS-Wirkung durch Protonenpumpenhemmer?

Nachdem sich der Wirbel um mögliche Wechselwirkungen zwischen Protonenpumpenhemmern (PPI) und Clopidogrel (PLAVIX, Generika) etwas gelegt hat (a-t 2010; 41: 125-6), kommt jetzt der Verdacht auf, dass PPI die Wirkung von Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN, Generika) abschwächen könnten. Dies legt eine Anfang Mai publizierte retrospektive Kohortenstudie aus Dänemark nahe, die auf Registerdaten beruht. Alle Patienten über 30 Jahre, die zwischen 1997 und 2006 die ersten 30 Tage nach einem ersten Herzinfarkt überlebt haben und innerhalb von 30 Tagen nach Krankenhausentlassung ein Rezept für ASS einlösen, aber kein Clopidogrel einnehmen, gehen in die Studie ein (n = 19.925). Betrachtet wird jeweils das erste Jahr nach der Entlassung. 4.306 Patienten (22%) haben in diesem Zeitraum mindestens ein PPI-Rezept eingelöst. Diese Gruppe ist insgesamt signifikant älter und - gemäß den bekannten Begleiterkrankungen - auch signifikant kränker als die Gruppe ohne PPI. In der Gruppe mit PPI steigt das für die bekannten Risikofaktoren adjustierte Risiko eines Reinfarkts, Insults oder kardiovaskulären Todes auf das 1,46-Fache (95% Konfidenzintervall [CI] 1,33-1,61). In einer zweiten Analyse, in der die PPI-Anwender mit einer Subgruppe der Nichtanwender verglichen werden, die ihnen im Hinblick auf Alter und Begleiterkrankungen ähnlich ist, wird eine Risikoerhöhung unter PPI auf das 1,61-Fache errechnet (95% CI 1,45-1,79). Die Autoren interpretieren ihre Ergebnisse primär im Sinne einer Abschwächung der ASS-Wirkung durch beeinträchtigte Absorption von ASS durch PPI. Studien zur Aggregationshemmung unter der gleichzeitigen Einnahme von ASS und PPI kommen allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen (CHARLOT, M. et al.: BMJ 2011; 342: d2690). Die Validität der aktuellen Daten bleibt unklar: Bei relativen Risikoanstiegen in der Größenordnung von 50% bis 60% lassen sich in Beobachtungsstudien wirkliche Risikozunahmen von allein durch Verzerrungen bedingten Befunden nicht zuverlässig unterscheiden. Auffällig ist zudem, dass in der PPI-Gruppe vor allem die Gesamtsterblichkeit erhöht ist, gemäß der ersten Analyse relativ um 78%, nach der zweiten auf das 2,4-Fache. Mit Abschwächung der ASS-Wirkung lässt sich dies schwer in Einklang bringen, da ASS nach randomisierten Studien die Gesamtsterblichkeit in der Sekundärprophylaxe atherosklerotischer Erkrankungen relativ nur um etwa 10% mindert (Antithrombotic Trialists' Collaboration: Lancet 2009; 373: 1849-60). Uns scheinen die Befunde beim derzeitigen Kenntnisstand am ehesten durch systematische Unterschiede in den Vergleichsgruppen bedingt zu sein, für die nicht ausreichend adjustiert werden konnte. Generell gilt, dass die Indikation für PPI streng zu stellen ist. Wenn eine klare Indikation vorliegt, zum Beispiel bei Ulkusblutung unter low-dose ASS (a-t 2005; 36: 17-8 und 2006; 37: 92-3), sollten die Mittel jedoch verordnet werden, auch zusammen mit ASS. Die Frage einer potenziellen Interaktion zwischen PPI und ASS bedarf weiterer Klärung, -Red.

© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 3. Juni 2011

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