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Therapiekritik

POET-COPD: TIOTROPIUM (SPIRIVA) SALMETEROL (SEREVENT U.A.) ÜBERLEGEN

Das in Leitlinien bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) empfohlene Stufenschema sieht ab GOLD*-Stadium II (mittelschwere COPD mit Einsekundenkapazität [FEV1] zwischen 50% und 80% vom erwarteten Wert) eine Dauertherapie mit langwirkenden Bronchodilatatoren zusätzlich zur Bedarfsmedikation mit kurzwirkenden Bronchodilatatoren vor.1-3 Bei schwerer und sehr schwerer COPD (GOLD-Stadium III und IV, FEV1 < 50% bzw. < 30%) und wiederholten Exazerbationen werden zusätzlich inhalative Kortikosteroide empfohlen.1,2 Ein klinischer Vorteil einer der beiden Wirkklassen langwirkender inhalativer Bronchodilatatoren gegenüber der anderen (langwirkende Betamimetika wie Salmeterol [SEREVENT u.a.] oder das langwirkende Anticholinergikum Tiotropiumbromid [SPIRIVA]) war bisher nicht hinreichend belegt (a-t 2007; 38: 37-9).3

* GOLD = Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease

Aktuell wird die randomisierte doppelblinde, von den Tiotropium-Anbietern Boehringer Ingelheim und Pfizer finanzierte POET-COPD**-Studie4 publiziert, ein Vergleich von einmal täglich 18 µg Tiotropium (als Pulver) mit zweimal täglich 50 µg Salmeterol bei 7.376 Patienten mit mittelschwerer bis sehr schwerer COPD über zwölf Monate. Während der doppelblinden Phase sind bis auf Anticholinergika und langwirkende Betamimetika alle zusätzlichen COPD-Mittel erlaubt. Die Patienten sind im Mittel 63 Jahre alt und haben im Jahr vor Studienbeginn mindestens eine Exazerbation durchgemacht. 75% sind Männer. Bei der Mehrzahl besteht ein GOLD-Stadium II (49%) oder III (43%). 30% sind mit Tiotropium, 52% mit langwirkenden Betamimetika und 53% mit inhalativen Kortikosteroiden vorbehandelt. Zu den Ausschlusskriterien gehören ähnlich wie in der UPLIFT**-Studie5 mit Tiotropium (a-t 2008; 39: 111) schwere kardiovaskuläre Erkrankungen, behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörungen sowie Herzinfarkt oder Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz im Jahr vor Studienbeginn.4

* POET-COPD = Prevention of Exacerbations with Tiotropium in COPD;
UPLIFT = Understandig Potential Long-Term Impacts on Function with Tiotropium

Tiotropium verlängert die Zeit bis zur ersten Exazerbation signifikant (primärer Endpunkt) und senkt damit das relative Exazerbationsrisiko um 17% (34,4% versus 38,5%; Hazard Ratio [HR] 0,83; 95% Vertrauensintervall [CI] 0,77-0,90; Number needed to treat = 24). Dies gilt sowohl für mittelschwere Exazerbationen, bei denen orale Glukokortikoide und/oder Antibiotika erforderlich sind (30,1% vs. 32,9%; HR 0,86; 95% CI 0,79-0,93), als auch für schwere Exazerbationen, die stationär behandelt werden müssen (7,1% vs. 9,2%; HR 0,72; 95% CI 0,61-0,85). Der Vorteil von Tiotropium zeigt sich konsistent auch in den prädefinierten Subgruppen nach Alter, Geschlecht, Schweregrad der COPD oder Glukokortikoidinhalation zu Studienbeginn. Besonders Patienten mit sehr schwerer COPD profitieren.4

Mit 15,8% versus 17,7% setzen in der Tiotropiumgruppe weniger Patienten die Studienmedikation vorzeitig ab als in der Salmeterolgruppe (HR 0,88; 95% CI 0,78-0,98). Bei den Studienabbrechern wird die Sterblichkeit weiterhin systematisch erfasst. Daten dazu liegen für 99% der Patienten vor: Ein signifikanter Unterschied besteht nicht (1,7% vs. 2,1%). Schwerwiegende unerwünschte Effekte treten unter Tiotropium bei 14,7%, unter Salmeterol bei 16,5% der Patienten auf. Schwerwiegende respiratorische, thorakale und mediastinale Ereignisse sind unter Tiotropium seltener (8,1% vs. 10%), kardiale (2,6% vs. 2,3%) und vaskuläre (1,0% vs. 0,7%) numerisch häufiger.

Die Studie ist methodisch solide durchgeführt, allerdings fehlt eine systematische Nachbeobachtung der Studienabbrecher im Hinblick auf Exazerbationen. Die Ergebnisse weisen in dieselbe Richtung wie eine frühere Metaanalyse kleinerer Studien, nach denen Tiotropium sich günstiger auf die Lungenfunktion auswirkt als langwirkende Betamimetika.6 Im Hinblick auf die Exazerbationsrate kamen die bisherigen kleineren Vergleichsstudien zu widersprüchlichen Ergebnissen.7-10 Für Patienten mit mindestens mittelschwerer COPD und kurz zurückliegender Exazerbation erscheint uns auf der Basis der POET-COPD-Studie Tiotropium als Bronchodilatator die bessere Wahl. Zu berücksichtigen ist aber, dass die kardiovaskuläre Sicherheit von Tiotropium nur bei Patienten ohne akute Herzerkrankungen belegt ist (a-t 2008; 39: 108 und 111). Bei kardiovaskulären Erkrankungen in der Vorgeschichte sollten allerdings auch Betamimetika nur mit Vorsicht verwendet werden.11 Tiotropium steigert die Arzneimittelkosten der COPD gegenüber dem generisch verfügbaren Betamimetikum Formoterol (FORADIL P, Generika) um mehr als das Doppelte:

∎  Das langwirkende inhalative Anticholinergikum Tiotropiumbromid (SPIRIVA) mindert in der POET-COLD-Studie bei Patienten mit mittel- bis sehr schwerer chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und mindestens einer kürzlich durchgemachten Exazerbation erneute Exazerbationen gegenüber dem langwirkenden Betamimetikum Salmeterol (SEREVENT u.a.) im Folgejahr um 4%.

∎  Auch das Risiko schwerer stationär behandelter Exazerbationen wird um absolut 2% pro Jahr gesenkt.

∎  Das Ergebnis ist konsistent auch in den prädefinierten Subgruppenanalysen nach Alter oder Schwere der COPD.

∎  Bei Patienten mit mindestens mittelschwerer COPD und kurz zurückliegender Exazerbation geben wir Tiotropium gegenüber Betamimetika den Vorzug.

∎  Die kardiovaskuläre Sicherheit von Tiotropium ist nur für Patienten ohne akute Herzerkrankung belegt. Hier dürfen auch Betamimetika nur mit Vorsicht verwendet werden.

∎  Tiotropium steigert die Arzneimittelkosten bei COPD gegenüber preiswerten Generika des Betamimetikums Formoterol (FORADIL P, Generika) um mehr als das Doppelte.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungsleitlinie COPD, Feb. 2010
http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/copd/pdf/nvl_copd_lang.pdf
2 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease: Global Strategy for the Diagnosis Management, and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease, Dez. 2010;
zu finden über: http://www.goldcopd.org
3 National Clinical Guideline Centre: Chronic obstructive pulmonary disease:
Management of chronic obstructive pulmonary disease in adults in primary and secondary care, Update guideline, Juni 2010
http://www.nice.org.uk/nicemedia/live/13029/49425/49425.pdf
R   4 VOGELMEIER, C. et al.: N. Engl. J. Med. 2011; 364: 1093-103
R   5 TASHKIN, D.P. et al.: N. Engl. J. Med. 2008; 359: 1543-54
M   6 BARR, R.G. et al.: Thorax 2006; 61: 854-62
R   7 BRUSASCO, V. et al.: Thorax 2003; 58: 399-404
R   8 BRIGGS, D.D. et al.: Pulm. Pharmacol. Ther. 2005; 18: 397-404
R   9 VOGELMEIER, C. et al.: Respir. Med. 2008; 102: 1511-20
R  10 DONOHUE, J.F. et al.: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2010; 182: 155-62
11 GlaxoSmithKline: US-Produktinf. SEREVENT, Stand Dez. 2010

© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 8. April 2011

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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