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Kurz und bündig

Poststationäre Thromboembolieprophylaxe bei akuten internistischen Erkrankungen?

Internationale und nationale Leitlinien wie die deutsche interdisziplinäre S3-Leitlinie empfehlen bei akuten internistischen Erkrankungen wie dekompensierter Herzinsuffizienz, Exazerbation einer COPD oder schwerer bakterieller Infektion eine Thromboembolieprophylaxe über 6 bis 14 Tage, vorzugsweise mit fraktionierten Heparinen (AWMF: S3-Leitlinie zur Prophylaxe venöser Thromboembolien, Stand März 2009; zu finden unter http://leitlinien.net). Hinsichtlich der poststationären Fortsetzung der Prophylaxe wird auf positive Ergebnisse einer noch nicht vollständig publizierten randomisierten Studie hingewiesen, aber keine generelle Empfehlung abgegeben. Diese EXCLAIM*-Studie liegt jetzt veröffentlicht vor. 6.085 Patienten erhalten nach einer Therapie mit täglich 40 mg Enoxaparin (CLEXANE) über 6 bis 14 Tage entweder das Heparin in gleicher Dosis für weitere 28 Tage oder Plazebo. Primärer Endpunkt sind venöse Thromboembolien nach 28 Tagen, definiert als symptomatische oder im Screening entdeckte asymptomatische proximale Venenthrombosen oder symptomatische Lungenembolien. Sekundäre Auswertungen betreffen den Endpunkt nach drei Monaten sowie die Mortalität. Venöse Thromboembolien sind unter Enoxaparin nach 28 Tagen (2,5% versus 4,0%; absolute Risikoreduktion [ARR] 1,53%, 95,8% Vertrauensbereich [CI] 0,52-2,54%; Number needed to treat [NNT] = 66) und auch nach drei Monaten (2,6% vs. 4,2%; ARR 1,57%, 95,8% CI 0,53-2,61%) signifikant seltener. Auch symptomatische Venenthrombosen oder Lungenembolien werden im ersten poststationären Monat durch Enoxaparin signifikant reduziert (ARR 0,75%, 95,8% CI 0,32-1,19%; NNT = 134). Schwerwiegende Blutungen nehmen aber in ähnlichem Maße zu (absolute Risikozunahme 0,51%, 95% CI 0,12-0,89%; Number needed to harm 197). Die Mortalität bleibt nach vier und zwölf Wochen unbeeinflusst, nach sechs Monaten ist sie unter Enoxaparin numerisch höher (8,2% vs. 7,7%). Nach Aufnahme von 75% der Patienten musste die Studie vorübergehend gestoppt werden, da in Interimsanalysen ein potenzieller Nutzen durch die Zunahme der Blutungskomplikationen aufgewogen wurde. Im Anschluss daran wurden nur noch Patienten mit höherem Thromboembolierisiko eingeschlossen. Eine konsistent günstige Relation von verhinderten Thromboembolien (2,18%, 95,8% CI 0,57-3,80%) zu schwerwiegenden Blutungen (0,54%, 95% CI 0,04-1,04%) findet sich nur bei den Patienten, die initial strenge Bettruhe (auch kein Aufstehen zur Toilette) für mindestens drei Tage einhalten mussten (HULL, R.D. et al.: Ann. Intern Med. 2010; 153: 8-18). Wegen der weiterhin unsicheren Datenlage halten wir bei akuten internistischen Erkrankungen eine poststationäre Thromboembolieprophylaxe nur im Einzelfall nach sorgfältiger Nutzen-Schaden-Abwägung für gerechtfertigt, –Red.

* EXCLAIM = Extended Prophylaxis for Venous ThromboEmbolism in Acutely Ill Medical Patients With Prolonged Immobilization

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 17. September 2010

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