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Therapiekritik

DUTASTERID (AVODART) ZUR PRÄVENTION VON PROSTATAKREBS?

Nach einer 2003 publizierten randomisierten doppelblinden Studie (PCPT*; a-t 2003; 34: 70)1 mit knapp 19.000 gesunden Männern ab 55 Jahren senkt der 5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid (PROSCAR) über einen Beobachtungszeitraum von sieben Jahren das Risiko der Diagnose eines Prostatakarzinoms von 24,4% unter Plazebo auf 18,4% (relative Risikoreduktion 24,8%; 95% Konfidenzintervall [CI] 18,6-30,6). Die hohe Rate der entdeckten Tumoren - in großen Studien zum PSA-Screening liegt sie bei 7% bis 8%,2,3 und bereits hier gilt Überdiagnostik als Problem (vgl. a-t 2009; 40: 33-4) - erklärt sich dadurch, dass bei allen Teilnehmern am Studienende eine Biopsie durchgeführt wird. Vermindert werden zudem nur gut bis mäßig differenzierte Tumoren, während schlecht differenzierte, aggressive Tumoren** unter Finasterid signifikant häufiger entdeckt werden.1 In der Folge erschienen mehrere Analysen, in denen das Risikosignal auf Verzerrungen zurückgeführt wird.4,5 Wegen ihres nachträglichen Charakters eigenen sie sich jedoch nicht für eine "Entwarnung".

Jetzt erscheint die ähnlich konzipierte REDUCE***-Studie6 mit Dutasterid (AVODART, vgl. a-t 2003; 34: 43), einem weiteren 5-alpha-Reduktasehemmer, an der 8.231 Männer teilnehmen, die aufgrund ihres Alters (50 bis 75 Jahre), ihres PSA-Spiegels (2,5 ng/ml [3,0 ng/mg bei über 60-Jährigen] bis 10 ng/ml) und einer in den sechs Monaten vor Studieneinschluss wegen Krebsverdachts durchgeführten Prostatabiopsie als Risikopatienten eingestuft werden. Während der vierjährigen Laufzeit ist die Entnahme von Gewebeproben nach zwei und vier Jahren sowie bei klinischem Verdacht vorgesehen. PSA-Spiegel werden halbjährlich bestimmt und wegen der durch 5-alpha-Reduktasehemmer induzierten Senkung in der Verumgruppe adjustiert. Unter täglich 0,5 mg Dutasterid wird bei 19,9% der analysierten Männer (659 von 3.305) ein Prostatakarzinom diagnostiziert, unter Plazebo bei 25,1% (858/ 3.424; relative Risikoreduktion 22,8%; 95% CI 15,2-29,8).6 Wie in der Studie mit Finasterid ist allerdings der Prostatastatus in der Kontrollgruppe signifikant häufiger bekannt (84,1% versus 81,6%), die Chance einer Entdeckung also größer. Ebenfalls wie bei Finasterid werden unter Dutasterid vor allem mittelgradig differenzierte Tumoren seltener entdeckt, die eine relativ gute Prognose haben. Aggressive Tumoren mit einem Gleason-Score von 7 bis 10 kommen in beiden Gruppen über den gesamten vierjährigen Studienzeitraum zwar gleich häufig vor. In den beiden letzten Studienjahren werden unter Dutasterid jedoch 12 Tumoren mit einem Gleason-Score von 8 bis 10 diagnostiziert gegenüber 1 unter Scheinmedikament (p = 0,003). Neben typischen antiandrogenen Effekten wie erektile Dysfunktion (9,0%), Libidoverminderung (3,3%) oder -verlust (1,9%) und Gynäkomastie (1,9%) tritt ein als "Herzversagen" bezeichneter Sammelendpunkt unter Dutasterid signifikant häufiger auf (0,7% vs. 0,4%). Die Sterblichkeit unterscheidet sich nicht (1,7% unter Dutasterid vs. 1,9% unter Plazebo, keine Todesfälle an Prostatakrebs).6

Angesichts der Tatsache, dass Prostatakarzinome in Autopsien bei etwa jedem zweiten älteren Mann gefunden werden, der ohne Wissen um seinen Krebs verstarb, hat eine verminderte Rate an Karzinomen, die aus Biopsien ohne klinische Indikation ermittelt wird, keine klinische Relevanz.7 Das zeigt sich auch daran, dass bei Männern, denen wegen PSA-Anstiegs oder eines auffälligen rektalen Tastbefundes eine Gewebeprobe entnommen wird, weder unter Dutasterid noch unter Finasterid seltener Krebs diagnostiziert wird als unter Plazebo.1,6 Aggressive Tumoren sind jedoch auch bei diesen Männern unter beiden Mitteln häufiger, unter Finasterid signifikant,1 unter Dutasterid zumindest numerisch (7,1% vs. 5,6%;6 keine statistische Auswertung). Auch nach Beobachtungsdaten aus einer großen randomisierten Studie zum PSA-Screening8 beeinflusst die Einnahme von Finasterid gegen Prostatabeschwerden die Rate an Prostatakarzinomen insgesamt nicht signifikant. Relativ gutartige Tumoren werden seltener diagnostiziert als bei Nichtanwendern (Hazard Ratio [HR] 0,59; 95% CI 0,38-0,91), Tumoren mit einem Gleason-Score ab 7 tendenziell häufiger (HR 1,33; 95% CI 0,77-2,30).8 Außerhalb eines Screening-Settings liegen gar keine Daten zum Einfluss von 5-alpha-Reduktasehemmern auf das Risiko eines Prostatakarzinoms vor.9

In Studien zur Vorbeugung von Prostatakarzinomen mit Dutasterid oder Finasterid wird eine Zunahme aggressiver Tumoren beobachtet. Auch Männer, die die Mittel gegen benigne Prostatahyperplasie einnehmen, sind über dieses Risiko und die dadurch möglicherweise erhöhte Sterblichkeit an Prostatakrebs zu informieren,9 -Red.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
R1THOMPSON, I.M. et al.: N. Engl. J. Med. 2003; 349: 215-24
R2ANDRIOLE, G.L. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 360: 1310-9
R3SCHRÖDER, F.H. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 360: 1320-8
 4COHEN, Y.C. et al.: J. Natl. Cancer Inst. 2007; 99: 1366-74
 5REDMAN, M.W. et al.: Cancer Prev. Res. 2008; 1: 174-81
R6ANDRIOLE, G.L. et al.: N. Engl. J. Med. 2010; 362: 1192-202
 7WALSH, P.C.: N. Engl. J. Med. 2010; 362: 1237-8
 8MURTOLA, T.J. et al.: Br. J. Cancer 2009; 101: 843-8
 9KRAMER, B.S. et al.: J. Urol. 2009; 181: 1642-57
 10Pathologie Oldenburg: Gleason-Grading
http://www.pathologie-oldenburg.de/index.php?param=GGrading

 *PCPT = Prostate Cancer Prevention Trial
 **Einteilung nach Gleason-Score, der Werte zwischen 2 und 10 annehmen kann. Je kleiner der Gleason-Score, desto besser ist der Tumor differenziert, d.h desto mehr ähnelt er dem Ursprungsgewebe. Prostatakarzinome mit einem Score von 2 bis 6 wachsen in der Regel langsam, nicht aggressiv, ab einem Score von 7 nimmt die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens stark zu. Ein Gleason-Score von 2 bis 4 kommt in Stanzbiopsien praktisch nicht vor.10
 ***REDUCE = Reduction by Dutasteride of Prostate Cancer Events

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 14. Mai 2010

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