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Therapiekritik

VALSARTAN (DIOVAN): KEIN SCHUTZ VOR VORHOFFLIMMERN

Die Bedeutung einer Rhythmuskontrolle mit Antiarrhythmika der Klasse I oder III bei chronischem Vorhofflimmern ist umstritten, seit Kardioversion und Stabilisierungsversuche mit diesen Substanzklassen der alleinigen Frequenzkontrolle hinsichtlich der Verträglichkeit in zwei Studien unterlegen waren (a-t 2003; 34: 2-3).

Für ACE-Hemmer und Angiotensin (AT)-II-Rezeptorenblocker wird eine prophylaktische Wirksamkeit gegen Vorhofflimmern diskutiert, die nicht von der Blutdrucksenkung oder dem Einfluss auf die Herzleistung abhängen soll. Die Wirkung könnte nach experimentellen Daten auf einer Verhinderung pathologischer Veränderungen des Herzens wie Dilatation des linken Vorhofs, Fibrosierung oder Verkürzung der Refraktärzeit (strukturelles oder elektrisches "remodeling") beruhen.1

Die Datenlage reichte bisher für eine Bewertung dieses Therapieansatzes nicht aus. Zwei Metaanalysen errechnen zwar sowohl für ACE-Hemmer als auch für AT-II-Blocker, dass sie das relative Risiko für das Wiederauftreten von Vorhofflimmern in einer Größenordnung von 20% bis 30% verringern.1,2 Die Analysen beruhen jedoch auf größtenteils post hoc ausgewerteten Studien mit unterschiedlichen Diagnosekriterien für Vorhofflimmern. Deutliche Heterogenität der Ergebnisse lässt an deren Aussagekraft zweifeln. Zudem gibt es Hinweise auf Publikationsbias (Vorhandensein unveröffentlichter negativer Daten).1 Prospektive neuere Arbeiten3-5 mit AT-II-Blockern sind mit 170 bis 300 Patienten für definitive Schlussfolgerungen zu klein und haben zum Teil erhebliche methodische Mängel wie fehlerhafte Randomisierung.5

Eine aktuell veröffentlichte große randomisierte kontrollierte Studie verbessert nun den Kenntnisstand: In GISSI-AF* wird prospektiv der Einfluss des AT-II-Antagonisten Valsartan (DIOVAN) auf das Wiederauftreten von Vorhofflimmern bei Patienten mit zwei dokumentierten Flimmerepisoden überprüft.6 1.442 Patienten nehmen ein Jahr lang Valsartan in steigender Dosierung (Zieldosis 320 mg täglich) oder Plazebo ein. Sie sind mindestens 40 Jahre alt und haben einen oder mehrere zusätzliche Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie (85%), Herzinsuffizienz/verringerte Ejektionsfraktion (8%), Diabetes mellitus (15%), koronare Herzerkrankung (12%), vergrößerter linker Vorhof (12%) oder zerebraler Insult in der Anamnese (4%). Seit mindestens zwei Tagen vor Randomisierung muss ihr Sinusrhythmus stabil sein. Das Neuauftreten von Vorhofflimmern wird - anders als in bisherigen Studien - nicht nur während der Studienvisiten, sondern bei subjektiver Wahrnehmung von Rhythmusstörungen auch mittels telemetrischer EKG-Übermittlung durch die Patienten erfasst.

* GISSI-AF = Gruppo Italiano per lo Studio della Sopravvivenza nell'Infarcto Miocardico - Atrial Fibrillation

Für keinen der prädefinierten Endpunkte lässt sich ein Nutzen der Behandlung innerhalb eines Jahres sichern: 51,4% entwickeln unter Valsartan und 52,1% in der Plazebogruppe erneut Vorhofflimmern (erster primärer Endpunkt; adjustierte Hazard Ratio 0,97; 96% Konfidenzintervall [CI] 0,83-1,14). Mehr als eine Episode von Vorhofflimmern (zweiter primärer Endpunkt) tritt bei 26,9% bzw. 27,9% auf (Odds Ratio 0,89; 99% CI 0,64-1,23). In keiner Subgruppe (z.B. nach Alter oder Einnahme eines Antiarrhythmikums) ergibt sich ein Vorteil für Valsartan. Auch bei sekundären Endpunkten (Krankenhausaufnahmen, Mortalität) bleibt die Behandlung ohne Nutzen. Unter Valsartan kommt es jedoch deutlich häufiger zu thromboembolischen Ereignissen (1,4% versus 0,3%), ein Befund, der von den Autoren als zufallsbedingt interpretiert wird. Unter Valsartan wird häufiger als unter Plazebo die Einnahme wegen Störwirkungen abgebrochen (26 vs. 12), unter anderem wegen symptomatischer Blutdruckabfälle (7 vs. 3), Hyperkaliämie (2 vs. 0) und Nierenfunktionsstörung (3 vs. 1).

Die vom DIOVAN-Anbieter Novartis gesponserte Studie ist die größte und methodisch beste Arbeit zu dieser Fragestellung. Ein Stellenwert für AT-II-Blocker zur gezielten Prophylaxe von Vorhofflimmern ist daher aus der nun erweiterten Datenlage nicht abzuleiten. Ob bestimmte Subgruppen wie Patienten mit Herzinsuffizienz, die in dieser Studie schwach repräsentiert sind, profitieren oder ob eine längere Behandlungsdauer für einen Nutzennachweis erforderlich wäre, bleibt spekulativ.

In einer aktuellen Studie senkt die prophylaktische Behandlung mit dem Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten Valsartan (DIOVAN) bei Patienten mit mindestens zwei nachgewiesenen Episoden von Vorhofflimmern innerhalb eines Jahres nicht die Rate neuer Flimmerepisoden.

Ein therapeutischer oder prophylaktischer Stellenwert bei Vorhofflimmern lässt sich aus der Datenlage weder für AT-II-Blocker noch für ACE-Hemmer ableiten.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
M 1 HEALEY, J.S. et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2005; 45: 1832-9
M 2 ANAND, K. et al.: Am. Heart J. 2006; 152: 217-22
R 3 FOGARI, R. et al.: J. Cardiovasc. Pharmacol. 2006; 47: 46-50
R 4 TVEIT, A. et al.: Int. J. Cardol. 2007; 120: 85-91
R 5 YIN, Y. et al.: Eur. Heart J. 2006; 27: 1841-6
R 6 DISERTORI, M. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 360: 1606-17

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 15. Mai 2009

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