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KORTIKOIDE BEI INFEKT-ASSOZIIERTEM GIEMEN IM VORSCHULALTER?

In den ersten Lebensjahren kommt es bei vielen Kindern vor allem im Rahmen viraler Atemwegsinfekte zu bronchialer Obstruktion mit giemender Atmung ("wheezing"), die sich nach Abklingen des Infekts vollständig zurückbildet und auf eine Enge der intrathorakalen Atemwege zurückgeführt wird. Die Mehrzahl der Kinder ist spätestens ab dem Schulalter symptomfrei und entwickelt kein chronisches Asthma bronchiale.1,2 Hinweise, die eine zuverlässige Vorhersage ermöglichen, welches Kind später erkranken wird, gibt es bislang nicht.1 Dass Kortikosteroide, intermittierend oder kontinuierlich inhaliert, das Risiko des Übergangs eines Giemens bei Kindern im Kleinkind- oder Vorschulalter in ein manifestes Asthma im Schulalter senken, ist nicht belegt.2,3 Im Vordergrund der Therapie steht daher die Behandlung akuter Atemnot sowie der Versuch, den obstruktiven Beschwerden bei einem Atemwegsinfekt vorzubeugen. Zu beiden Behandlungszielen gibt es neue Daten.

BEHANDLUNG AKUTER LUFTNOT: Mittel der Wahl bei akuter Atemnot aufgrund Infekt-assoziierter obstruktiver Beschwerden im Kleinkindalter ist die Inhalation kurzwirkender Betasympathomimetika wie Salbutamol (SULTANOL, Generika). Für sie sind bronchodilatatorische Effekte auch bei Säuglingen und Kleinkindern in plazebokontrollierten Studien belegt.1 Häufig werden zusätzlich Kortikosteroide per os oder parenteral empfohlen.2,4,5 Diese reduzieren nach einer systematischen Übersicht bei älteren Kindern mit manifestem Asthma, die wegen eines akuten Anfalls stationär behandelt werden, gegenüber Plazebo die Verweildauer im Krankenhaus und die Rückfallrate.6 Bei Kindern unter sechs Jahren mit Infekt-getriggertem Giemen ist die Datenlage dagegen dünn: Zwei randomisierte plazebokontrollierte Studien7,8 bleiben wegen massiver methodischer Mängel ohne Aussagekraft. In einer der beiden Untersuchungen geht nur ein Viertel der 293 randomisierten Kinder in die Auswertung ein.7 In der anderen werden die Ergebnisse für den primären Endpunkt (Gebrauch weiterer Asthmamittel aufgrund schwerer respiratorischer Symptome) nicht für die gesamte Studienpopulation (n = 230) mitgeteilt, sondern nur für die Untergruppe der 123 hospitalisierten Kinder.8 Bei zwei weiteren Studien9,10 wird nicht erwähnt, ob die Dyspnoe im Rahmen eines Atemwegsinfektes auftritt. In der ersten9 bleibt zudem die Altersverteilung der untersuchten Kinder unklar (im Mittel fünf Jahre). In der zweiten Studie10 mit 74 Kindern zwischen sechs Monaten und fünf Jahren halbiert die einmalige intramuskuläre Injektion von Methylprednisolon (URBASON, Generika) die Rate der Kinder, die drei Stunden später stationär aufgenommen werden (20% versus 43% unter Plazebo).

Eine aktuelle, deutlich größere Studie11 kommt jetzt zu negativem Ergebnis: 687 Kinder zwischen zehn Monaten und fünf Jahren mit akutem respiratorischen Infekt, die wegen milder bis moderater obstruktiver Beschwerden im Krankenhaus vorgestellt werden, erhalten fünf Tage lang entweder Prednisolon per os (DECORTIN H, Generika; Kinder bis zwei Jahre täglich 10 mg, ältere 20 mg) oder Plazebo. Weder hinsichtlich der Dauer des Krankenhausaufenthaltes (primärer Endpunkt; 11,0 versus 13,9 Stunden unter Plazebo; Differenz -2,9; 95% Konfidenzintervall [CI] -8,7 bis 2,4) noch bei einem der sekundären Endpunkte (Schwere der respiratorischen Symptome, Menge des im Krankenhaus inhalierten Salbutamols u.a.) lassen sich signifikante Unterschiede nachweisen. Abgesehen von heftigem Erbrechen bei einem Kind unter Prednisolon werden keine unerwünschten Effekte berichtet.11

VORBEUGUNG OBSTRUKTIVER BESCHWERDEN: In Anlehnung an die Behandlung des Asthma bronchiale, bei der die Inhalation von Kortikosteroiden den Grundstein der Therapie bildet, wurden auch zur Vorbeugung von Infekt-getriggertem Giemen verschiedene Kortikoidregime geprüft. Fast alle Untersuchungen sahen eine bedarfsweise Inhalation kurzwirkender Betamimetika vor. Prednisolon per os, von den Eltern bei Auftreten von Giemen im Rahmen eines Atemwegsinfekts gegeben, hat in einer randomisierten plazebokontrollierten Studie mit 217 Kindern zwischen einem und fünf Jahren keinen Einfluss auf Symptome, Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen u.a.12 Auch in zwei älteren Untersuchungen, an der Kleinkinder unter 15 bzw. 18 Monaten mit reversibler obstruktiver Ventilationsstörung in der Vorgeschichte teilnehmen (Atemwegsinfekt nicht erwähnt), lässt sich kein Nutzen nachweisen.13,14

Ebenfalls negativ ist die Datenlage für eine inhalative Kortikoid-Dauertherapie: Ein im Jahr 2000 publiziertes Cochrane-Review15 findet eine einzige kleine Studie mit 41 Kindern im Alter von acht Monaten bis sechs Jahren. In dieser haben tägliche Inhalationen von 400 µg Budesonid (PULMICORT, Generika; Dosieraerosol mit Inhalationshilfe [Spacer, ggf. Gesichtsmaske]) über vier Monate keinen Einfluss auf die Anzahl beschwerdefreier Tage, die Zahl erneuter Dyspnoe-Episoden oder den Gebrauch von Bronchodilatatoren.16 In einer nachfolgend erschienenen Untersuchung17 bleibt offen, ob die obstruktiven Beschwerden der teilnehmenden Kinder überhaupt Infekt-getriggert sind. Zudem wird primär geprüft, ob regelmäßige Inhalationen von Fluticason (FLUTIDE; zweimal täglich 88 µg als Dosieraerosol) über einen Zeitraum von zwei Jahren einen nach Absetzen fortbestehenden Effekt haben. Ein solcher krankheitsmodifizierender Einfluss lässt sich nicht belegen. Während der eigentlichen Behandlungsphase haben Kinder unter Fluticason zwar signifikant mehr Episoden-freie Tage (93,2% vs. 88,4% unter Plazebo). Ein Effekt auf die Zahl der Arztbesuche, Hospitalisierungen oder orale Steroidbehandlungen lässt sich jedoch nicht nachweisen. Am Ende der zweijährigen Behandlungsphase fällt unter Fluticason eine signifikant geringere Größenzunahme auf, die ein Jahr später noch nicht aufgeholt ist.17

In einer kürzlich publizierten Studie18 mit 238 Kindern zwischen einem und fünf Jahren wird der Nutzen intermittierender Inhalationen von Budesonid im oberen zugelassenen Dosisbereich (zweimal täglich 1 mg als Verneblung, vgl. Tabelle 1), beginnend mit den ersten Symptomen eines Atemwegsinfekts, geprüft. Während des zwölfmonatigen Beobachtungszeitraums beeinflusst das Kortikosteroid weder den Anteil der Episoden-freien Tage (primärer Endpunkt; 76% vs. 74% unter Plazebo) noch die Zahl der Arztbesuche, Krankenhausaufnahmen oder Behandlungen mit einem oralen Kortikosteroid. Auch intermittierende Inhalationen oberhalb der zugelassenen Dosis von Budesonid (bis zu 1,6 mg19 bzw. 3,2 mg20 täglich als Dosieraerosol) oder Beclometasondipropionat (SANASTHMAX, Generika, 2,25 mg/Tag als Dosieraerosol)21 schneiden in drei kleinen Studien mit maximal 55 Kindern nicht besser ab als Plazebo, gemessen an der Häufigkeit von Inhalationen eines Betamimetikums, Behandlungszyklen mit Kortikosteroiden per os oder Krankenhauseinweisungen. Bei metaanalytischer Auswertung ergibt sich jedoch ein Trend zu verringertem Gebrauch oraler Kortikosteroide.15

Zur Überprüfung dieses Konzepts inhalieren in der zweiten aktuellen Untersuchung22 129 Kinder zwischen einem und sechs Jahren, die bereits mehrere Episoden Infekt-assoziierten Giemens erlebt haben, bei den ersten Zeichen eines Atemwegsinfekts hochdosiertes Fluticason (zweimal täglich 750 µg als Dosieraerosol) oder Plazebo zusätzlich zu Salbutamol bei Bedarf. Die Behandlung wird jeweils so lange fortgeführt, bis bei den Kindern 48 Stunden lang weder Husten noch Giemen nachweisbar ist, maximal jedoch zehn Tage pro Infekt. Über einen medianen Beobachtungszeitraum von 40 Wochen senkt Fluticason signifikant die Rate der Atemwegsinfekte, bei denen notfallmäßig systemische Kortikosteroide angewendet werden (primärer Endpunkt; 8% vs. 18% unter Plazebo, Odds ratio 0,49; 95% CI 0,30-0,83). Der Anteil der Infekte, bei denen obstruktive Beschwerden auftreten, sowie die Zahl der Arztbesuche und Krankenhauseinweisungen aufgrund solcher Beschwerden (sekundäre Endpunkte) wird nicht beeinflusst. Unter Fluticason wird jedoch ein signifikant geringerer Zuwachs an Größe und Körpergewicht beobachtet. Basale Kortisolspiegel und Knochendichte unterscheiden sich nicht.22

Bei Kindern unter sechs Jahren kommt es im Rahmen viraler Atemwegsinfekte häufig zu vorübergehenden obstruktiven Beschwerden ("viral wheezing"), die sich nach Abklingen des Infektes vollständig zurückbilden. Die Prognose ist gut: Die Mehrzahl der Betroffenen ist spätestens ab dem Schulalter symptomfrei und entwickelt kein chronisches Asthma bronchiale. Inhalation von Kortikosteroiden beeinflusst diesen Verlauf nicht.

Kommt es zu akuter Atemnot, sind inhalierte kurzwirkende Betasympathomimetika wie Salbutamol (SULTANOL, Generika) Mittel der Wahl. Für Prednisolon per os (DECORTIN H, Generika) lässt sich in einer aktuellen Studie mit Kleinkindern, die wegen milder bis mäßig ausgeprägter Obstruktion im Krankenhaus vorgestellt werden, kein Nutzen nachweisen. Systemische Kortikosteroide sollten daher nicht routinemäßig angewendet werden, sondern schwerkranken Kindern vorbehalten bleiben.

Von dem Versuch, obstruktiven Beschwerden mit Kortikosteroiden vorzubeugen, ist abzuraten: Mehrtägige Einnahme von Prednisolon bei Auftreten von Infekt-getriggertem Giemen bleibt in mehreren Studien ohne Nutzen. Für langfristig oder intermittierend bei Atemwegsinfekten inhalierte Kortikosteroide ist die Datenlage widersprüchlich. In einem Teil der Untersuchungen ist kein Nutzen nachweisbar. Zwei Studien mit Fluticason (FLUTIDE u.a.) lassen zwar einen positiven Effekt auf einige der untersuchten Endpunkte erkennen, reduzieren aber das Größenwachstum gegenüber Plazebo signifikant.

Auch bei Infekt-assoziiertem Giemen sind Inhalationen kurzwirkender Betamimetika Mittel der Wahl. Eltern sollten über die gute Prognose der Beschwerden aufgeklärt werden.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
 1BRAND, P.L.P. et al.: Eur. Respir. J. 2008; 32: 1096-110
 2BUSH, A.: N. Engl. J. Med. 2009; 360: 409-10
 3KADITIS, A.G. et al.: Pediatr. Pulmonol. 2007; 42: 407-20
 4Global Initiative for Asthma (GINA): Leitlinie, Stand Dez. 2008 zu finden unter http://www.ginasthma.org/
 5Nationale Versorgungsleitlinie Asthma, Kurzfassung, Konsultationsfassung 9. Febr. 2009, zu finden unter http://www.asthma.versorgungsleitlinie.de
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R22DUCHARME, F.M. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 360: 339-53
 23Chiesi: Fachinformation SANASTHMAX JUNIOR, Stand Jan. 2009
 24Chiesi: Fachinformation BUDIAIR, Stand Jan. 2009
 25AstraZeneca: Fachinformation PULMICORT Susp., Stand Juli 2008
 26GSK/Cascan: Fachinformation FLUTIDE MITE 50 Dosier-Aerosol, Stand Juli 2008

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 3. April 2009

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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