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Nebenwirkungen

OLANZAPIN-DEPOT (ZYPADHERA): WARNUNGEN SCHON VOR VERMARKTUNG

Parenterales Olanzapin (ZYPREXA) scheint nicht die Stärke von Eli Lilly zu sein: 2004 musste die Firma vor Todesfällen unter der kurz wirkenden Injektion warnen und jetzt - kurz vor Markteinführung Anfang März* - vor schwerer Sedierung bis zum Koma unter der Depotzubereitung (vorgesehenes Warenzeichen ZYPADHERA).1,2

* Voraussichtlicher Einführungstermin, Eli Lilly: Schreiben vom 6. Febr. 2009.

Bei dem zur Erhaltungstherapie Erwachsener mit Schizophrenie vorgesehenen Depotneuroleptikum treten Symptome wie bei einer Überdosierung auf. Bei einigen Betroffenen finden sich erhöhte Plasmaspiegel.3 Kennzeichnend sind neben der Sedierung Krampfanfälle, Verwirrtheit bis zum Delir, extrapyramidalmotorische Störungen und Schwäche.2,3

Bis Mai 2008 erhielten in Studien 2.054 Patienten die Depotzubereitung. Bei 28 (1,4%) tritt der - auch als Postinjektions-Syndrom bezeichnete - Störwirkungskomplex auf. Die Beschwerden beginnen bei fünf von sechs Patienten innerhalb einer Stunde nach der Injektion.4 Die daraufhin eingeleitete spezielle Schulung des Studienpersonals in der Injektionstechnik verhindert weitere Ereignisse nicht. Ein Experte der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA vermutet, dass Trübung und hohe Dichte des Produktes es erschweren, aspiriertes Blut in der Spritze zu erkennen.3 Dadurch wird möglicherweise versehentlich intravasal injiziert. Von der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA geforderte Sicherheitsauflagen erscheinen jedoch in der Praxis gerade bei Patienten mit Schizophrenie und Complianceproblemen, die für die Depotbehandlung infrage kommen, unrealistisch: dreistündige Überwachung in einer medizinischen Einrichtung und dann - dies muss vorab sichergestellt sein - darf sich der Patient nicht allein nach Hause begeben. Für den Rest des Tages muss er sich in der Nähe von Personen aufhalten, die Hilfestellung leisten könnten, und darf kein Fahrzeug sowie keine Maschinen bedienen.2,4

Da das Depot-Olanzapin erst nach Monaten** ein steady state erreicht, besteht andererseits für einen Zeitraum von offenbar mindestens acht Wochen das Risiko der Unterdosierung und damit von Therapieversagen.4 Dafür sprechen auch die Abbruchraten aufgrund von Rückfällen in der 24-wöchigen Zulassungsstudie: 20% unter Olanzapin per os im Vergleich zu 24% bis 36% unter therapeutischen Dosierungen des Parenteraldepots.4

** Exakte Angaben fehlen im europäischen Beurteilungsbericht und in der Produktinformation.4,5

Das schlecht zu steuernde Depot hat weitere Nachteile: Treten Nebenwirkungen wie Leukopenie auf oder werden Therapieumstellungen erforderlich, ist zu bedenken, dass Absorption und Ausscheidung aus dem Depot erst sechs bis acht Monate nach der letzten Injektion abgeschlossen sind.4,5 Über die bekannten Nebenwirkungen der Einnahme per os hinaus muss mit häufigen Lokalreaktionen (8%) gerechnet werden, vorrangig mit Schmerz (5%).4 Im Tierversuch mit Hunden sind dosisunabhängig bereits nach einmaliger Injektion chronische Entzündungsreaktionen mit Fibrosierung, bei Ratten Fremdkörperreaktionen aufgetreten.4

Bereits bei Markteinführung von parenteralem Risperidon (RISPERDAL CONSTA), das 2002 als erste Depotzubereitung eines "Atypikums" in den Handel kam, setzte das Marketing auf den angeblichen Vorteil einer besseren Therapietreue mit der Hoffnung auf geringere Rückfallraten. Dies mag plausibel klingen, für seit Jahrzehnte zugelassene Depotzubereitungen "klassischer" Neuroleptika ist ein solcher Vorteil jedoch nicht belegt.6-9 RISPERDAL CONSTA fiel bei Einführung sogar mit einer Studienabbrecherquote von 56% auf (a-t 2004; 35: 44).

Unter der für Anfang März 2009 angekündigten Depotzubereitung von Olanzapin (vorgesehenes Warenzeichen ZYPADHERA) ist sowohl mit Über- als auch mit Unterdosierung zu rechnen. Wir raten von der Anwendung ab.

  (M = Metaanalyse)
 1MORAN, M.: Psychiatric News 2005; 40; Nr. 8: 1-7
 2Eli Lilly: Wichtige Information zur Arzneimittelsicherheit: Anwendung von ZYPADHERA und Postinjektions-Syndrom, Jan. 2009
 3ZHANG, J: FDA Clinical Review of Olanzapine Pamoate Depot in the Treatment of Schizophrenie; http://www.fda.gov/ohrms/dockets/AC/08/ slides/2008-4338s1-01-FDA-Zhang.ppt
 4EMEA: Assessment Report for ZYPADHERA Doc Ref.: 608654/5.1.09; zu finden unter: http://www.emea.europa.eu/htms/human/epar/z.htm
 5Eli Lilly: Produktinformation ZYPADHERA, 19. Nov. 2008
M6QURAISHI, S.N. et al.: Depot haloperidol decanoate for schizophrenia. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 1; Stand 24. Nov. 1998
M7DAVID, A. et al.: Depot fluphenazine decanoate and enanthate for schizophrenia. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2009; Issue 1, Stand Jan. 2004
M8DAVID, A. et al.: Depot perphenacine decanoate and enanthate for schizophrenia. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 1; Stand 24. Mai 2005
M9ABHIJNHAN, A. et al.: Depot fluspirilene for schizophrenia. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 1; Stand 13. Nov. 2006

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 13. Februar 2009

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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