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Kurz und bündig

Johanniskraut (JARSIN u.a.): antidepressiv wirksam nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz?

Eine vor zehn Jahren erstmals vorgelegte Cochrane-Übersicht zum Nutzen von Johanniskraut (JARSIN u.a.) bei Depression ist im Oktober neu publiziert worden. Im Unterschied zu den Vorversionen (vgl. a-t 2005; 36: 48) werden in der aktuellen Fassung nur noch Studien ausgewertet, an denen ausschließlich Patienten mit Depression im Sinne der "major depression" nach US-amerikanischem Klassifikationssystem DSM*-IV (ähnlich der depressiven Episode in ICD**-10) teilnehmen. Die meisten Patienten leiden an milden bis mäßigen Symptomen. Die Ansprechrate ist der Metaanalyse zufolge unter Johanniskraut insgesamt signifikant höher als unter Plazebo (Rate Ratio [RR] 1,48; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,23-1,77), und im Vergleich zu Standardantidepressiva findet sich kein signifikanter Unterschied. Trotz der strengeren Einschlusskriterien bestehen jedoch zwischen den Ergebnissen der einzelnen plazebokontrollierten Studien große Unterschiede (Heterogenität). Die Effekte weisen nicht einmal alle in die gleiche Richtung. In zwei Studien schneidet Johanniskraut schlechter ab als das Scheinmedikament. Die Prüfung verschiedener Johanniskrautpräparate erklärt die Unterschiede nicht. Zusätzliche Analysen, die die Ursachen für die starke Heterogenität ermitteln sollen, fördern eine eigentümliche, ihrerseits erklärungsbedürftige Konstellation zu Tage: Nur die in deutschsprachigen Ländern durchgeführten Studien zeigen einen Effekt (RR 1,78; 95% CI 1,42-2,25), nicht aber die aus anderen Ländern (RR 1,07; 95% CI 0,88-1,31). Wie schon in einer früheren Version des Reviews findet sich in größeren Studien ein geringerer Effekt als in kleineren Studien - ein Hinweis auf mögliche Verzerrungen durch Nichtveröffentlichung von Negativstudien oder auch durch methodische Mängel in den publizierten kleinen Studien. Auch nach Einschätzung der Autoren lässt sich nicht ausschließen, dass einige kleine Studien aus deutschsprachigen Ländern mangelhaft sind und den Effekt überschätzen (LINDE, K. et al.: St. John's wort for major depression. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 4; Stand Okt. 2008). Dass unter diesen Umständen eine metaanalytische Zusammenfassung der Studienergebnisse sinnvoll ist, erscheint uns zweifelhaft. Einen Nutzenbeleg kann sie unseres Erachtens nicht liefern, -Red.

* DSM = Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
** ICD = International Classification of Diseases

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 7. November 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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