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Therapiekritik

UMCKALOABO BEI AKUTER BRONCHITIS: NUTZEN BELEGT?

Ende 2005 hat der Pelargonium-Wurzelextrakt UMCKALOABO die Nachzulassung passiert.1 Von den verschiedenen zuvor fiktiv zugelassenen Anwendungsgebieten blieb dabei nur noch die akute Bronchitis übrig (a-t 2006; 37: 93). Drei sehr ähnlich angelegte randomisierte plazebokontrollierte Studien mit UMCKALOABO bei akuter Bronchitis sind seit unserer letzten Bewertung 2003 (a-t 2003; 34: 28-9) veröffentlicht worden.2-4 Alle wurden Anfang der 2000er Jahre durchgeführt, und zwar in Osteuropa, zwei davon in Russland. Sie wurden aber von Deutschland aus gesteuert und vom Schwabe-Konzern finanziert.2-5 468, 124 bzw. 217 erwachsene Patienten nehmen teil. Sie nehmen sieben Tage lang dreimal täglich 30 Tropfen UMCKALOABO oder Plazebotropfen ein. Primärer Endpunkt ist die Veränderung des Bronchitis-Symptom*-Scores nach sieben Tagen, ein nicht validierter Score5 mit insgesamt 20 Punkten. Unter Verum nimmt der Score in allen drei Studien von eingangs 8-9 Punkten signifikant um 2-3 Punkte stärker ab als unter Plazebo.2-4

Eine seit kurzem vorliegende Cochrane-Übersicht zu UMCKALOABO kommt auf der Basis von zwei der drei publizierten Bronchitisstudien mit Erwachsenen, ansonsten aber überwiegend unveröffentlichten, vom Hersteller überlassenen Studienberichten zu einer vorsichtig positiven Einschätzung der Wirksamkeit.5 Obgleich die Autoren Kenntnis haben von einem Literaturbericht über zum Teil schwerwiegende allergische Reaktionen auf den Extrakt (vgl. a-t 2007; 38: 118),6 werden im Abstract der Übersicht nur die unerwünschten Effekte ("none were serious")5 in den Wirksamkeitsstudien erwähnt. Wirksamkeitsstudien sind aber bekanntermaßen für die Erfassung des Risikoprofils eines Wirkstoffs unzureichend. Dem Hersteller bietet die Cochrane-Arbeit eine willkommene Steilvorlage. Wenige Wochen nach Erscheinen heißt es in der Werbung für UMCKALOABO: "Aktuelle Metaanalyse aller UMCKALOABO-Studien durch die Cochrane-Collaboration: 8 kontrollierte Studien mit akzeptierter Methodik, effektive Linderung von Husten, Verschleimung, Schnupfen und Kopfschmerzen... keine schwerwiegenden Nebenwirkungen..."7

Unseres Erachtens reicht die Evidenz nicht aus, den Nutzen von UMCKALOABO zu belegen:

Eine unabhängige Bestätigung der Ergebnisse fehlt - unabhängig vom Hersteller und unabhängig von dem speziellen Setting, das, soweit wir sehen, in allen Studien anzutreffen ist: Studienplanung in Deutschland, Studiendurchführung in Russland oder der Ukraine. Die drei publizierten plazebokontrollierten Studien zur Behandlung der akuten Bronchitis sind zudem alle unter Beteiligung desselben Kölner Forschungsinstituts durchgeführt worden.2-4,8

In diesen drei Studien wird ein so genanntes adaptives Design verwendet, eine neue, noch wenig etablierte Methode der Studienplanung, bei der auf der Basis der Ergebnisse von Zwischenanalysen Änderungen im Studienplan vorgenommen werden, in diesem Fall eine Anpassung der Fallzahlkalkulation. Ein adaptives Design birgt unter anderem Risiken für die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse, wenn die Zwischenanalysen zum Beispiel dem Sponsor bekannt gegeben werden.9,10 Die europäische Arzneimittelbehörde EMEA erachtet dieses Design im Rahmen von Phase-III-Studien nur in besonders begründeten Fällen für akzeptabel.10 Eine Begründung für die Wahl des Designs wird in keiner der drei UMCKALOABO-Studien gegeben. Es fehlen Angaben dazu, was für Zwischenanalysen durchgeführt wurden und mit welchen Ergebnissen, wer Kenntnis davon hatte und welche Konsequenzen für die Studienplanung jeweils daraus gezogen wurden. Auch in der Cochrane-Arbeit wurde versäumt, hier Transparenz herzustellen. Es bleibt zudem unerklärt, warum trotz des adaptiven Designs, das ja eine optimale Fallzahlanpassung ermöglichen sollte, die Studiengrößen den in einer Arbeit berichteten, vorab kalkulierten Umfang von 37 pro Gruppe** um das 1,7- bis 6,3fache überschreiten, obwohl die Studienergebnisse mit dem ursprünglich angestrebten Effekt übereinstimmen.

Drei ähnlich angelegte randomisierte kontrollierte Studien deuten auf einen Nutzen des Pflanzenextraktes UMCKALOABO bei akuter Bronchitis hin. Da ein wenig etabliertes Design verwendet wurde, das besondere Glaubwürdigkeitsrisiken birgt, zu relevanten Details in dieser Hinsicht Informationen fehlen, Ungereimtheiten nicht erklärt werden und zudem eine unabhängige Bestätigung dieser Studienergebnisse fehlt, steht unseres Erachtens ein Nutzenbeleg für UMCKALOABO aus.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
 1ISO-Arzneimittel: Fachinformation UMCKALOABO, Stand Aug. 2007
R2MATTHYS, H. et al.: Phytomedicine 2003; 10 (Suppl. IV): 7-17
R3CHUCHALIN, A.G. et al.: Explore 2005; 1: 437-45
R4MATTHYS, H., HEGER, M.: Curr. Med. Res. Opin. 2007; 23: 323-31
M5TIMMER, A. et al.: "Pelargonium sidoides extract for acute respiratory tract infections." The Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 3; Stand Dez. 2007
 6DE BOER, H.J. et al.: Drug Safety 2007; 30: 677-80
 7Werbung für UMCKALOABO: z.B. Ärzte Zeitung vom 29./30. Aug. 2008
 8GOLOVATIOUK, A., CHUCHALIN, A.G.: Sonderdruck aus SCHULZ, V. et al. (Hrsg.): "Phytopharmaka VII - Forschung und klinische Anwendung", Steinkopff, Darmstadt 2002; Seite 13-25
 9FLEMING, T.R.: Statist. Med. 2006; 25: 3305-12
 10EMEA: Reflection Paper on Methodological Issues in Confirmatory Clinical Trials Planned with an Adaptive Design, London 18. Okt. 2007;
http://www.emea.europa.eu/pdfs/human/ewp/245902enadopted.pdf

 *Auch Bronchitis Severity Score, Bezeichnung nicht einheitlich, Definition aber identisch.
 **dürfte aufgrund vergleichbarer Studienmerkmale für alle drei Studien gelten

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 2. Oktober 2008

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