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Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
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Kurz und bündig

Werbung ohne Substanz

Anzeigen in Fachzeitschriften sollen Ärzte dazu bringen, die beworbenen Produkte zu verordnen. Das Geld hierfür scheint für die Pharmaindustrie gut angelegt zu sein: Jeder investierte Dollar soll - je nach beworbenem Produkt - zwischen 2,30 $ und 12,20 $ Einnahme zurückbringen. Dies geht zumindest aus Untersuchungen hervor, die vom Verband der Medizinverleger (AMP) gesponsert worden sind (WITTINK, D.: http://www.rxpromoroi.org/arpp/exec_sum.html). Wenn aber Werbung tatsächlich - wie bisweilen behauptet - auch der Information der Fachkreise dient, muss sie zuverlässige Angaben enthalten. Die wenigen zu dieser Fragestellung durchgeführten Untersuchungen lassen einheitlich das Gegenteil erkennen. So stimmt ein Drittel der Aussagen in Werbematerialien der Pharmaindustrie, die in deutschen Arztpraxen abgegeben werden, nicht mit den zitierten Quellen überein (KAISER, T. et al.: Sonderbeilage in a-t 2004; 35: 21-3). Auch nach einer holländischen Studie, in der Werbung für Bluthochdruckmittel überprüft wird, enthält ein Drittel der Anzeigen in Fachzeitschriften Behauptungen, die nicht durch die zitierten Quellen gestützt sind (GREVING, J.P. et al.: J. Hypertens. 2007; 25: 713-22). Gleiches wird aus Spanien berichtet: Bei Kontrolle der überprüfbaren Anzeigen zu Bluthochdruck- und Lipidsenkern stimmen 44% der Werbebehauptungen nicht mit den Quellen überein. Meist wird unterschlagen, dass die dargestellten Ergebnisse nur für bestimmte eingegrenzte Patientengruppen (z.B. in der Postinfarktphase) gelten und nicht für die Allgemeinpopulation (VILLANUEVA, P. et al.: Lancet 2003; 361: 27-32). US-amerikanische Autoren überprüfen jetzt Werbeanzeigen für Psychopharmaka. Bei der Hälfte der Behauptungen finden sie keine Quellenangabe, mit der die Korrektheit der Aussagen geprüft werden könnte. Ist eine Quellenangabe vorhanden, eignet sich jede zweite nicht dazu, die aufgestellten Behauptungen zur Wirksamkeit zu belegen. Ein besonderes Problem ist die verbreitete Angabe "data on file". Nur 4 von 16 darauf basierenden Angaben können nach Rückfrage bei den Herstellern verifiziert werden (SPIELMANS, G.I.: J. Nerv. Ment. Dis. 2008; 196: 267-73). Auch wir machen des öfteren die Erfahrung, dass Firmen bei Bitte um Konkretisierung der "data on file" lapidar mitteilen, die Firmenpolitik erlaube keine Weitergabe unveröffentlichter Daten. So bleibt nur, auf data on file zurückgeführte Angaben als zweifelhafte Werbebehauptung zu ignorieren. Dennoch erfüllen auch solche Botschaften ihren vorgesehenen Zweck: Die Abwägung von Nutzen und Schaden von Arzneimitteln wird im Sinne der Werbetreibenden verzerrt. Versuche, die Werbeflut wesentlich einzudämmen, dürften unrealistisch sein. Zu sehr profitieren davon sowohl Pharmahersteller als auch Verlage, deren Einnahmen wesentlich vom Anzeigengeschäft abhängen. Ist es aber zuviel verlangt, dass Hersteller in der Werbung beschriebene Produkteigenschaften ausschließlich mit öffentlich zugänglichen Quellen belegen und dass dies - zumindest in größeren Stichproben - von den zuständigen Überwachungsbehörden kontrolliert wird? Die Qualität von Werbung könnte zudem verbessert werden, wenn die verantwortlichen Firmenmanager für falsche Angaben zur Kasse gebeten würden, -Red.

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 6. Juni 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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