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Nebenwirkungen

MALIGNE MELANOME UNTER MS-MITTEL NATALIZUMAB (TYSABRI)?

Seit Sommer 2006 ist der Integrinhemmer Natalizumab (TYSABRI) zur Behandlung der schweren schubförmig remittierend verlaufenden Multiplen Sklerose (MS) im Handel. Wir rieten damals von der Anwendung ab, da ein Wirksamkeitsnachweis für die zugelassenen Indikationen fehlt und tödliche Risiken in nicht überschaubarem Ausmaß drohen (a-t 2006; 37: 69-71). US-amerikanische Ärzte berichten jetzt über zwei MS-Patientinnen, bei denen in zeitlichem Zusammenhang mit den vierwöchentlichen Infusionen des Antikörpers ein malignes Melanom diagnostiziert wird.1 Bei einer der beiden ist ein Nävus der Aderhaut des rechten Auges bekannt, der sich bei regelmäßigen ophthalmologischen Untersuchungen wegen einer Optikusneuritis mindestens sieben Jahre lang nicht verändert hatte. Nach mehrmaliger Infusion von Natalizumab wird bei einer erneuten Kontrolle eine "dramatische Zunahme" von Größe, Tiefe und Pigmentierung des Nävus festgestellt und ein okuläres Melanom diagnostiziert. Die zweite Frau bemerkt kurze Zeit nach erstmaliger Anwendung des Integrinhemmers einen Leberfleck auf ihrer Schulter, der sich rasch verändert. Es handelt sich ebenfalls um ein Melanom, das bereits in die regionalen Lymphknoten metastasiert hat.1 Auch in einer Zulassungsstudie ist ein Patient unter Natalizumab an metastasiertem Melanom erkrankt und verstorben.2

Laut Fachinformation soll Natalizumab Wachstum und Metastasierung von Melanomzellen bei Mäusen nicht erhöhen.3 Die Autoren der aktuellen Fallberichte halten es dagegen für möglich, dass Anti-α-4-Integrin-Antikörper wie Natalizumab das Immunsystem sowohl am Sitz des Primärtumors als auch in den regionalen Lymphknoten unterdrücken und so die lokoregionale Ausbreitung von Melanomen fördern.1 Sie diskutieren Studien, nach denen die Expression von Integrinen auf Melanomzellen deren Metastasierung zu einem frühen Zeitpunkt hemmen soll. Zudem induziert ein Antikörper gegen (-4-Integrine die Selbstzerstörung (Apoptose) aktivierter reifer T-Lymphozyten in Lymphknoten.1,4 Wir raten weiterhin von der Anwendung von Natalizumab ab, -Red.

  (R = randomisierte Studie)
 1MULLEN, J.T. et al.: N. Engl. J. Med. 2008; 358: 647-8
R2POLMAN, C.H. et al.: N. Engl. J. Med. 2006; 354: 899-910
 3Biogen/Elan: Fachinformation TYSABRI, Stand Nov. 2006
 4TCHILIAN, E.Z. et al.: Immunology 1997; 92: 321-7

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 15. Februar 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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