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Therapiekritik

AKUTES KORONARSYNDROM: REBOUND NACH ABSETZEN VON CLOPIDOGREL?

Der Nutzen einer Therapie mit Clopidogrel (ISCOVER, PLAVIX) zusätzlich zu Azetylsalizylsäure (ASPIRIN, Generika) und Heparin (LIQUEMIN, Generika) beim akuten Koronarsyndrom ist durch die CURE-Studie1 belegt: Die drei- bis zwölfmonatige Einnahme senkt die Rate kardiovaskulärer Todesfälle, Myokardinfarkte oder Insulte von 11,5% auf 9,3% (a-t 2001; 32: 91-2). Wird die Kombinationstherapie über mehr als drei Monate fortgeführt, wiegt die erhöhte Rate von Blutungen den dann noch erreichten geringen Nutzen auf. Wir raten daher, die Einnahme von Clopidogrel auf drei Monate, bei Einlage eines unbeschichteten Stents auf vier Wochen zu begrenzen (a-t 2006; 37: 101-2, 107-9).

In einer aktuellen retrospektiven Kohortenstudie2 wird jetzt die Rate kardiovaskulärer Komplikationen und die Sterblichkeit nach Absetzen von Clopidogrel überprüft. Die Arbeit geht der Frage nach, ob es im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der Therapie zu einer Häufung kardiovaskulärer Ereignisse ("Rebound") kommt. Von 1.568 Patienten mit akutem Koronarsyndrom, die nur medikamentös (ohne Stent) behandelt sind, erleiden 17,1% innerhalb von 196 Tagen nach Absetzen von Clopidrogel einen Herzinfarkt oder versterben. 163 Ereignisse (60,8%) treten innerhalb der ersten 90 Tage auf, 57 (21,3%) zwischen Tag 91 und 180. Die Autoren errechnen für die ersten drei Monate nach Absetzen von Clopidogrel im Vergleich zu Monat vier bis sechs ein erhöhtes Risiko für Tod oder Herzinfarkt (Incidence Rate Ratio [IRR]*: 1,98 95% Konfidenzintervall [CI]: 1,46-2,69). Nach grafischer Darstellung häufen sich Ereignisse innerhalb der ersten sechs Wochen. Auch bei den 1.569 Patienten, die wegen akuten Koronarsyndroms mit (größtenteils unbeschichteten) Stents versorgt sind, treten häufiger Ereignisse in den ersten 90 Tagen nach Absetzen von Clopidogrel auf. 59% der Todesfälle oder Myokardinfarkte ereignen sich in den ersten drei Monaten, 23% zwischen Tag 91 und 180 (IRR 1,82, 95% CI 1,17-2,83).2

Die Aussagekraft der Studie bleibt auch nach Einschätzung der Autoren eingeschränkt: Sie ist retrospektiv und somit trotz umfangreicher Adjustierungen zahlreichen Verzerrungsmöglichkeiten ausgesetzt. Die Auswertung basiert auf Registerdaten, die nicht validiert werden. Eingeschlossen werden zudem nur Patienten, die während der Clopidogrel-Behandlung ereignisfrei blieben. Ein Vergleich mit Patienten, die die Therapie mit Clopidogrel fortführen, fehlt. Ursachen für das Absetzen von Clopidogrel werden nicht evaluiert.

Die retrospektive Analyse bietet keine ausreichende Begründung für eine Verlängerung der Therapie mit Clopidogrel (PLAVIX u.a.) bei akutem Koronarsyndrom mit oder ohne Stenteinlage. Sie bekräftigt hingegen die Notwendigkeit, die optimale Dauer endlich gezielt durch prospektive randomisierte kontrollierte Studien zu klären.

  (R = randomisierte Studie)
R1CURE Trial Investigators: N. Engl. J. Med. 2001; 345: 494-502
 2HO, P.M. et al.: JAMA 2008; 299: 532-9
* Errechnet wird zunächst die Inzidenzrate, d.h. die Zahl der Ereignisse pro 1.000 Patiententage. Für die Incidence Rate Ratio werden dann die Inzidenzraten der ersten 90 Tage mit denen von Tag 91 bis 180 ins Verhältnis gesetzt.

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 15. Februar 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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