logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2007; 38: 70nächster Artikel
Kurz und bündig

Antidepressiva bei Postinfarkt-Depression? Kardiovaskuläre Erkrankungen und Depressionen sollen nach Prognosen bis zum Jahr 2020 weltweit die wichtigsten Ursachen verlorener oder beeinträchtigter Lebenszeit sein (MURRAY, C.J.L., LOPEZ, A.D.: Lancet 1997; 349: 1498-1504). Sie sind nicht unabhängig voneinander: Ischämische Herzerkrankungen erhöhen das Risiko von Depressionen und umgekehrt. Depressionen betreffen ungefähr jeden fünften Patienten nach Myokardinfarkt und gehen mit erhöhter kardialer und Gesamtmortalität einher (VAN MELLE, J.P. et al.: Psychosom. Med. 2004; 66: 814-22). Neben veränderten autonomen Funktionen wie eingeschränkter Herzschlagvariabilität werden als Ursache für die erhöhten kardiovaskulären Risiken vor allem Complianceprobleme diskutiert. Wird die depressive Symptomatik verringert, könnte dies dazu beitragen, dass die internistisch erforderliche Medikation zuverlässiger eingenommen wird. Profitieren "depressive Herzkranke" somit "zweifach von stimmungsaufhellender Therapie" (Ärzte Zeitung vom 16. Jan. 2006)? Bislang fehlen aussagekräftige Studien zur Frage, ob Antidepressiva die Mortalität depressiver Patienten nach Infarkt senken (BUSH, D.E. et al.: Agency for Healthcare Research and Quality, Evidence Report Nr. 123, Mai 2005). Auch die aktuell publizierte MIND-IT*-Studie (VAN MELLE, J.P. et al.: Brit. J. Psychiatry 2007; 190: 460-6) ändert diese Situation wegen problematischen Designs und ungenügender Power nicht. Wie in Studien mit internistisch gesunden depressiven Patienten (a-t 2005; 36: 45-7) ist die antidepressive Wirksamkeit im Vergleich zu Plazebo bei gleichzeitiger kardiovaskulärer Erkrankung nicht nur in MIND-IT, sondern auch in weiteren Studien gering (LESPÉRANCE, F. et al.: JAMA 2007; 297: 367-79; GLASSMAN, A.H. et al.: JAMA 2002; 288: 701-9). Ein Editorial zum Thema verdeutlicht die unbefriedigende Situation: Nur mit wirksameren Behandlungsmethoden könnte der Einfluss auf kardiovaskuläre Endpunkte in Studien mit realisierbaren Fallzahlen untersucht werden (CARNEY, R.M., FREEDLAND, K.E.: Br. J. Psychiatry 2007; 190: 467-8). Ob die bislang nach Infarkt untersuchten Antidepressiva, beispielsweise Sertralin (ZOLOFT u.a.), hinsichtlich kardiovaskulärer Endpunkte nützen, bleibt fraglich. Sie sollten daher nur dann verwendet werden, wenn sie wegen der depressiven Symptomatik notwendig erscheinen.

*

MIND-IT = the Myocardial INfarction and Depression-Intervention Trial

© 2007 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.