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RUFINAMID (INOVELON) BEI LENNOX-GASTAUT-SYNDROM

Jedes zehnte Kind, das vor seinem fünften Lebensjahr an Epilepsie erkrankt, leidet am LENNOX-GASTAUT-Syndrom. Mit einer Prävalenz von 1 : 10.000 zählt es zu den seltenen Erkrankungen.1,2 Mehrere Anfallstypen beim selben Kind, darunter typischerweise tonische und atonische Krämpfe sowie häufige schwere, oft therapieresistente Anfälle einschließlich Status epilepticus, kennzeichnen das prognostisch ungünstige Syndrom. Meist ist es mit abnehmender geistiger Leistungsfähigkeit und erhöhter Mortalität verbunden.1,3

Eine befriedigende Therapie gibt es für diese Epilepsieform nicht.3 Trotz Fehlens adäquater Studien wird häufig primär mit Valproat (ORFIRIL u.a.) behandelt, additiv mit neueren Antiepileptika wie Lamotrigin (LAMICTAL u.a.) bei nur bescheidenem Zusatznutzen.2,3

Seit Juni 2007 ist Rufinamid (INOVELON) zur Zusatztherapie bei LENNOX-GASTAUT- Syndrom im Handel. Es ist chemisch mit den Triazolantimykotika verwandt und unterscheidet sich strukturell von allen anderen Antiepileptika. Rufinamid wirkt, indem es den inaktivierten Zustand der Natriumkanäle verlängert.2

WIRKSAMKEIT: In einer nicht vollständig veröffentlichten knapp dreimonatigen Zulassungsstudie4 mit 139 4- bis 30-jährigen Patienten mit LENNOX-GASTAUT-Syndrom, die trotz konstanter Einnahme von Antiepileptika monatlich mehr als 90 Anfälle haben, wird Rufinamid mit einer Zieldosis von täglich 45 mg/kg Körpergewicht bzw. der abhängig von Komedikation und Gewicht maximal zugelassenen Dosis gegen Plazebo geprüft.2 Die Neuerung verringert die drei primären Endpunkte tonische/atonische Anfälle (im Median -42,5% vs. +1,4%, p = 0,0001), Anfallsschwere sowie Gesamtanfallsrate. Wegen der bei Studienbeginn in den beiden Gruppen stark unterschiedlichen Gesamtanfallsrate ist das Ergebnis zu diesem Endpunkt jedoch fraglich.2 Zweifel wecken auch der fehlende Effekt bei Kindern mit refraktären partiellen Anfällen und die nur mäßige Wirkung auf partielle Anfälle bei Erwachsenen und Jugendlichen in anderen Studien.2 Üblicherweise wirken beim LENNOX-GASTAUT-Syndrom eher Antiepileptika mit breitem Spektrum. Andererseits sprechen Dosiswirkungsbeziehung und Konsistenz der Wirksamkeit in untersuchten Subgruppen für zumindest kurzzeitige Therapieeffekte.2

Langfristig entwickelt sich möglicherweise Toleranz: In einer offenen Nachbeobachtung über etwa zwei Jahre brechen 66% (82 von 124) die Studie vorzeitig ab, überwiegend wegen mangelnder Wirksamkeit.2

STÖRWIRKUNGEN: Neurologische Nebenwirkungen wie Somnolenz und Magen-Darm-Beschwerden wie Erbrechen stehen im Vordergrund.2,5 Bedenklich stimmt, dass bei keinem Plazeboanwender, aber bei knapp 4% unter Rufinamid ein Status epilepticus auftritt, der ebenso wie teilweise beachtlicher Gewichtsverlust und ein Hypersensitivitätssyndrom mit Fieber, Hautausschlag und Organbeteiligung vor allem Kinder betrifft. Aus präklinischen Daten ergeben sich Hinweise auf mögliche hepatotoxische Effekte, Bildung unlöslicher Gallenkonkremente aus einem Metaboliten sowie auf Myelofibrose und immunologische Risiken.2

KOSTEN: Bezogen auf eine Dosis von 2 x täglich 800 mg sind für Rufinamid (INOVELON, 200 Tbl. zu 400 mg: 545,58 €) monatlich 327 € aufzuwenden.

 Das seit Juni erhältliche Zusatzantiepileptikum Rufinamid (INOVELON) verringert beim LENNOX-GASTAUT-Syndrom in einer knapp dreimonatigen Studie tonische/atonische Anfälle, Anfallsschwere und mit fraglicher Validität auch die Gesamtanfallsrate.

 Zwei von drei Patienten brechen die zweijährige offene Nachbeobachtung vor allem wegen mangelnder Wirksamkeit ab. Toleranzentwicklung ist nicht auszuschließen.

 Neurologische und gastrointestinale Störwirkungen sind sehr häufig. Insbesondere Status epilepticus und Hypersensitivitätssyndrom bieten Anlass zu Bedenken.

 Angesichts des im indirekten Vergleich mit anderen neueren Antiepileptika größeren Zusatznutzens von Rufinamid auf tonische/atonische Anfälle beim LENNOX-GASTAUT-Syndrom und der unbefriedigenden Behandlungssituation bei dieser Erkrankung erscheint ein Therapieversuch gerechtfertigt. Ob ein möglicher Nutzen langfristig erhalten bleibt, muss regelmäßig überprüft werden.

 

 

 

1

CONNOCK, M. et al.: Health Technology Assessment 2006; 10, No 7 http://www.hta.ac.uk/fullmono/mon1007.pdf

 

2

EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) INOVELON, Stand Jan. 2007

 

3

HANCOCK, E., CROSS, H.: Treatment of Lennox-Gastaut-Syndrome; The Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 2, Stand März 2003

 

4

GLAUSER, T. et al.: Neurology 2005; 64: 1826

 

5

Eisai: Fachinformation INOVELON, Stand Jan. 2007

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Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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