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Übersicht

Über die unangenehmen Erfahrungen der Herausgeber der "Zeitschrift für Allgemeinmedizin" (ZFA) berichteten wir in a-t 2006; 37: 93. Eine für die ZFA vorgesehene Artikelserie zur rationalen Arzneitherapie in der hausärztlichen Praxis ist dem Thieme-Verlag offensichtlich zu heikel. Möglicherweise könnte diese Anzeigenkunden abschrecken. Der Verlag übte Zensur und stampfte die bereits gedruckte August-Ausgabe der ZFA ein und ließ die Zeitschrift ohne den für die Seiten 332-3 vorgesehenen Artikel zu Protonenpumpenhemmern erscheinen. Dieser gravierende Eingriff in die Rechte der Herausgeber der Zeitschrift wurde auch von der Publikumspresse aufgegriffen (z.B. "Vorauseilende Zensur", Süddt. Ztg. vom 19. Sept. 2006) und wird wohl auch noch ein internationales Echo finden. Inzwischen hat auch die Verlagsleitung/Chefredaktion der Zeitschrift "Der Hausarzt" den ursprünglich vorgesehenen parallelen Abdruck der Artikelreihe mit dem kargen Kommentar abgelehnt: Die Manuskripte kommen "für eine Publikation in der Zeitschrift ,Der Hausarzt' nicht infrage". Dabei hatte der Verlag den Artikel zu den Protonenpumpenhemmern (in der hier abgedruckten Version) bereits angenommen. Das arznei-telegramm hat schon mehrfach Originalartikel veröffentlicht und beispielsweise auch Passagen aus dem "Arzneiverordnungsreport" wiedergegeben, als diese in dem Buch wegen juristischer Auseinandersetzungen mit Pharmaherstellern durch Schwärzungen unkenntlich gemacht werden mussten (a-t 1998; Nr. 1: 3-9). Machen Sie sich selbst ein Bild, wie niedrig bei Verlagen, deren Erlöse aus Zeitschriften zu beträchtlichen Teilen den Anzeigen entstammen, die Toleranz für abwägende und kritische Bewertungen von Arzneimitteln ist. Nachfolgend drucken wir auf diesen Sonderseiten den "eingestampften" Artikel "Protonenpumpenhemmer" der Autoren M. KOCHEN und W. NIEBLING ab. Die Autoren haben neue Erkenntnisse der letzten Wochen noch in den Artikel einfließen lassen, -Red.

PROTONENPUMPENHEMMER

Informationen zur rationalen Arzneitherapie in der hausärztlichen Praxis

Michael M. KOCHENa, Wilhelm NIEBLINGb

Anschrift der Autoren

a  Prof. Dr. med. Michael M. KOCHEN, MPH, FRCGP
Georg-August-Universität, Abt. Allgemeinmedizin
Humboldtallee 38, 37073 Göttingen, E-Mail: mkochen@gwdg.de

b Prof. Dr. med. Wilhelm NIEBLING
Albert-Ludwigs-Universität, Lehrbereich Allgemeinmedizin
Elsässer Str. 2m, Haus 1A, 79110 Freiburg, E-Mail: wniebling@t-online.de

Interessenkonflikte

Michael M. KOCHEN ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sowie Mitherausgeber des arznei-telegramm und der Zeitschrift für Allgemeinmedizin (ZFA).
Wilhelm NIEBLING ist Vorsitzender der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), Mitherausgeber der Zeitschrift für Allgemeinmedizin (ZFA) und Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.

Der vorliegende Text gibt die Stellungnahme der Autoren und nicht der aufgeführten Organisationen oder Zeitschriften einschließlich des arznei- telegramm wieder.

Wirksamkeit

Die pharmakologische Wirkung (nahezu vollständige Hemmung der gastralen Säuresekretion) der fünf in Deutschland zur Zeit zugelassenen Protonenpumpenhemmer (PPI; siehe Tabelle) ist identisch. Es gibt keine hinreichenden Nachweise für klinisch relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Substanzen.

Klassische Indikationen im hausärztlichen Alltag

  • Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) und Langzeitbehandlung zur Rezidivprophylaxe bei Patienten mit geheilter Ösophagitis.1 Bei Patienten mit GERD lassen sich PPI durch bestimmte Einnahmemodalitäten (entweder nüchtern 15 bis 30 Minuten vor oder ca. zwei Stunden nach einer Mahlzeit bzw. vor dem Schlafengehen) und durch Veränderungen im Lebensstil (Gewichtsabnahme, Hochstellen des Bett-Kopfteils) häufig auf die Hälfte der üblichen Dosis reduzieren. Für die klinische Wirksamkeit diätetischer Maßnahmen (z.B. verminderter Konsum von Alkohol, Schokolade oder fettreichen Mahlzeiten) fehlen bislang wissenschaftliche Belege.2
  • Eradikation des Helicobacter pylori (Hp) in Kombination mit einer geeigneten Antibiotikabehandlung. Nach erfolgter Eradikationstherapie ist die Fortführung der Therapie mit PPI nicht sinnvoll.3
  • Heilung und Rezidivprophylaxe von peptischen Ulzera, die Helicobacter-pylori-assoziiert sind bzw. durch Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika verursacht werden.

Bei den genannten Indikationen sind PPI wirksamer als H2-Blocker.

Dyspepsie

Ein Cochrane-Review kam 2005 zum Ergebnis, dass PPI zur initialen Behandlung dyspeptischer Patienten mit Sodbrennen bzw. Oberbauchbeschwerden wirksam seien. Eine erhebliche Schwäche dieser Arbeit ist jedoch (auch nach Meinung der Autoren), dass bei den meisten der hier analysierten Studien Patienten mit GERD nicht ausgeschlossen wurden.4 Eine test-and-treat-Strategie (Hp-Testung mit anschließender Eradikationstherapie) ist nur sehr begrenzt effektiv5 (insbesondere bei einer Hp-Prävalenz von unter 10%6). Dyspeptische Beschwerden stellen in Deutschland allerdings keine zugelassene Indikation für den Einsatz von PPI dar.

Poststationäre PPI-Therapie

Hausärzte sind immer wieder mit zum Teil irrationalen Empfehlungen aus dem Krankenhaus konfrontiert, PPI nach stationärer Behandlung auch ambulant weiter zu verordnen. Auf der Grundlage evidenzbasierter Leitlinien7 gelten für Patienten, die eine kontinuierliche Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) benötigen, folgende Empfehlungen:

Bei Helicobacter-pylori-positiven Patienten mit chronischer NSAR-Therapie vermindert eine Eradikation das Risiko unerwünschter gastrointestinaler Wirkungen.8 Werden NSAR als Schmerzmittel verordnet, sollte (auch wegen kardiovaskulärer Nebenwirkungen) überprüft werden, ob nicht eine Behandlung mit z.B. Parazetamol in Frage kommt.

Wechselwirkungen

Für Pantoprazol wird häufig das Fehlen von Wechselwirkungen beansprucht. Nach einer Übersicht der amerikanischen FDA (Food and Drug Administration) handelt es sich bei den seltenen Interaktionen von Omeprazol, Lansoprazol und Pantoprazol offensichtlich um einen Klasseneffekt ohne relevante Unterschiede zwischen den Einzelsubstanzen.9

Wirtschaftliche Verordnungsweise

Nach SGB V sind Arzneimittel auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verordnen. Danach ist - wann immer möglich - auf kostengünstige Generika zurückzugreifen. Aufgrund der belegten Bioäquivalenz sind durch Verordnung von Generika im Vergleich zu Originalpräparaten keine Qualitätseinbußen zu befürchten.

Generika von Omeprazol sind - je nach Dosierung - erheblich günstiger als PPI-Originalpräparate. Protonenpumpenhemmer unterliegen der Festbetragsregelung und werden voraussichtlich am 1. November 2006 in die Präparateliste (http://www.gkv.info) aufgenommen, für die eine Zuzahlungsfreiheit eingeführt wurde (Voraussetzung für die Aufnahme ist ein Preis, der mindestens 30% unter der Festbetragsgrenze liegt; Zuzahlungs- Befreiungsgrenzen ab 1. Nov. unter http://www.bkk.de).

Unabhängig von pharmakologischen, rechtlichen und praktischen Aspekten resultiert die oft angewendete Tablettenteilung von Esomeprazol 20/40 mg heute (Stand: Ende Oktober 2006) im Vergleich zu ungeteilten Omeprazol-Generika nicht mehr in einer Kostenersparnis, die eine routinemäßige Tablettenteilung rechtfertigen könnte.

  1. DDD (defined daily dose) = Angenommene mittlere tägliche Erhaltungsdosis für die Hauptindikation eines Arzneimittels bei Erwachsenen (keine Dosierungsempfehlung für den Einzelfall). Angaben nach WHO bzw. DIMDI.
  2. Die WHO hat für Esomeprazol 30 mg, für Lansoprazol 30 mg, für Pantoprazol 40 mg und für Rabeprazol 20 mg als DDD festgelegt. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit erstellte DIMDI-Liste 2006 listet für diese Substanzen DDD auf, die nur die Hälfte (bei Esomeprazol zwei Drittel) der WHO-DDD betragen (jeweils zweiter Eintrag in der 3. Spalte), was die resultierenden Preise niedriger erscheinen lässt. Die Abweichungen von der WHO, so schreibt das DIMDI ohne weitere Begründung, stellten "eine notwendige Anpassung an den deutschen Arzneimittelmarkt" dar.
  3. Preisstand 15. Okt. 2006, Grundlage: OP zu 90-100 Tabletten. Preisangaben bezogen auf DDD der WHO sowie (hinter dem Schrägstrich) auf DDD des DIMDI. Aufgrund der wechselnden Preise - insbesondere jetzt zum 1. November - wird empfohlen, für die Quartalskosten (DDD x 90) entsprechende Nachschlagewerke (z.B. auch EDV-Programme) zu konsultieren. Bei fehlenden Wirksamkeitsunterschieden sollten Einsparpotenziale bei allen PPI auf preiswerte Omeprazol-Generika bezogen werden.

Verordner sollten beachten, dass laut WHO-Klassifikation die DDD-Angaben für Esomeprazol 30 mg, für Lansoprazol 30 mg, für Pantoprazol 40 mg und für Rabeprazol 20 mg betragen (Tabelle). Danach wären diese Präparate deutlich teurer als Omeprazol-Generika (siehe auch Verordnungsforum 3, KVBW 2006).

EMPFEHLUNGEN: Alle Protonenpumpenhemmer (PPI) sind bei den zugelassenen Indikationen gleich wirksam und sicher. Für Omeprazol existiert die beste Datenlage. Trotz entsprechender Werbeaussagen fehlen zweifelsfreie Nachweise für klinisch relevante Unterschiede zwischen den einzelnen PPI. Bei Beachtung wissenschaftlich belegter Kriterien können PPI zum Nutzen der Patienten eingesetzt und unnötige Kosten vermieden werden durch:

  • Verzicht auf nicht indizierte PPI-Begleittherapie bei chronischer NSAR-Gabe,
  • zeitlich begrenzten Einsatz bei dyspeptischen Patienten (off-label!) nur bei Reflux- bzw. Oberbauchbeschwerden,
  • Verzicht auf Fortsetzung der Behandlung nach erfolgreicher Helicobacter-pylori-Eradikation,
  • Versuch der Dosisreduktion bei Patienten mit Dyspepsie bzw. gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD).
© 2006 arznei-telegramm

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