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                            a-t 2006; 37: 53-5nächster Artikel
Neu auf dem Markt

INHALATIVES INSULIN EXUBERA: WESENTLICHES UNGEKLÄRT

Mit großem Medienecho hat die Pfizer GmbH Mitte Mai das inhalative Insulin EXUBERA in den Handel gebracht. Seit Entdeckung des Insulins vor gut 80 Jahren wird nach Alternativen zur Injektion des Hormons geforscht. Von den verschiedenen Entwicklungen zur inhalativen, peroralen oder transdermalen Anwendung ist EXUBERA weltweit das zweite kommerziell verfügbare Produkt: Ende letzten Jahres wurde in Lateinamerika ein über die Wangenschleimhaut absorbierbares Insulinpräparat (ORAL-LYN) eingeführt.1 EXUBERA ist nur für erwachsene Diabetespatienten zugelassen; bei Typ-1-Diabetes darf es nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden.2 An das inhalative Insulin dürften sich große Hoffnungen auf eine weniger belastende Diabetestherapie knüpfen.

Insulin kann mit den heute verfügbaren sehr dünnen und scharfen Nadeln meist nahezu schmerzfrei gespritzt werden. Die hierzulande vorwiegend gebrauchten Pen-Systeme lassen sich zudem einfach handhaben: Sie sind etwas länger und dicker als ein Füllfederhalter, enthalten Insulin für mehrere Tage, können unauffällig mitgeführt werden und ermöglichen rasch und diskret durchführbare Injektionen. Es ist daher keineswegs selbstverständlich, dass die Inhalation von Insulin eine weniger belastende Diabetestherapie darstellt.

Die wichtigste Zielgruppe des Marketings sind offensichtlich Patienten mit Typ-2-Diabetes, die mit oralen Antidiabetika nicht mehr auskommen, vor der Insulintherapie aber zurückschrecken. Wie eine aktuelle Befragung von mehr als 300 Typ-2-Diabetikern zeigt, fürchten diese Patienten jedoch nicht allein und nicht einmal in erster Linie schmerzhafte Injektionen, sondern beispielsweise auch mögliche Nebenwirkungen und Fehler bei der Insulintherapie. Eine echte Spritzenphobie scheint nach den spärlichen vorliegenden Daten eher selten zu sein. Die Angst richtet sich dann auch auf die Stiche bei der Blutzuckerselbstkontrolle, die durch ein inhalatives Insulin nicht weniger werden. Wie die Arbeit zudem erneut zeigt, verlieren sich die Befürchtungen zumeist, sobald die Patienten die Insulintherapie eine Zeit lang praktizieren.3

Zu fragen ist daher, ob in randomisierten kontrollierten Vergleichen mit subkutan gespritztem Insulin tatsächlich nachgewiesen wird, dass EXUBERA eine Therapieerleichterung bedeutet, ob die Blutzuckereinstellung mit inhalativem Insulin genauso wirksam und sicher gelingt wie mit subkutan injiziertem und ob die pulmonale Verträglichkeit und Sicherheit bei langfristigem Einatmen von Insulinpulver hinreichend belegt ist.

EIGENSCHAFTEN: Bei EXUBERA handelt es sich um Trockenpulver aus rekombinantem Humaninsulin plus Mannitol, Glyzin, Natriumzitrat und Natriumhydroxid, das in zwei Einzeldosierungen zu 1 mg und 3 mg in Blistern verpackt angeboten wird. Maßeinheit sind nicht die sonst üblichen internationalen Einheiten (I.E.), sondern mg. Dies hat komplizierte Umrechnungen zur Folge. Das Pulver wird in einem Inhalationsgerät zerstäubt und dann über den Mund eingeatmet. Wird mehr als ein Blister benötigt, müssen diese nacheinander inhaliert werden. Die gleichmäßige Wirkstoffaufnahme hängt von einer gleichbleibenden Standardinhalationstechnik ab. Im Unterschied zu subkutan (s.c.) gespritztem Insulin muss und darf EXUBERA nicht im Kühlschrank, sondern soll trocken bei Raumtemperatur gelagert werden.2,4

Die Bioverfügbarkeit beträgt im Vergleich zu s.c. injiziertem Normalinsulin etwa 10%. Ein Blister mit 1 mg EXUBERA entspricht etwa 3 I.E. s.c. Insulin.2 Die Dosis kann also nur in Schritten von mindestens 3 I.E. angepasst werden. Der 3-mg-Blister ist im Hinblick auf die effektive Insulindosis zudem nicht mit drei 1-mg-Blistern äquivalent: Er entspricht nur 8 I.E. s.c.-Insulin.2 Als ein Grund dafür wird angegeben, dass nach Zerstäubung von 1 mg EXUBERA der Anteil der feinen Partikel unter 3,3 µm, deren Größe als optimal gilt für das Vordringen in tiefe Lungenabschnitte und die systemische Absorption, verhältnismäßig höher ist als nach Zerstäubung von 3 mg.5 Ein fehlender 3-mg-Blister darf somit wegen der Gefahr der Hypoglykämie nicht durch drei 1-mg-Blister ersetzt werden.2 Nach einer Studie zur Dosisproportionalität scheint bei einem Teil der Anwender die absorbierte Insulindosis nach Inhalation von 3 mg sogar kleiner zu sein als die nach zweimal 1 mg, die 6 I.E. entsprechen soll.5

EXUBERA flutet etwas rascher an als subkutan injiziertes humanes Normalinsulin, die Wirkdauer beider ist etwa gleich.15 Die Neuerung kann also nur subkutan gespritztes kurzwirksames Insulin zu den Mahlzeiten ersetzen. Ein Verzögerungsinsulin, das bei Typ-1-Diabetes immer benötigt wird, muss zusätzlich injiziert werden.

Rauchen steigert die absorbierte Insulinmenge um das Zwei- bis Fünffache mit der Gefahr schwerer Hypoglykämien.15 Raucher dürfen EXUBERA daher nicht verwenden. Sie müssen das Rauchen mindestens sechs Monate vor Beginn einer Therapie mit dem inhalativen Insulin aufgegeben haben.2 Passivrauchen hat dagegen nach einer Studie mit 30 gesunden Nichtrauchern den gegenteiligen Effekt: Zwei Stunden Aufenthalt in Tabakluft senkt die Insulinaufnahme um 20% bis 30%.15 Die Auswirkungen bei Patienten, die gelegentlich, wiederholt oder dauerhaft verrauchter Luft ausgesetzt sind, sind nicht geprüft.6 Berater der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA bemängeln zudem unzureichende Daten zum Einfluss interkurrenter Atemwegsinfekte auf die Pharmakokinetik des inhalativen Insulins.5,6 Für Patienten mit Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) wird EXUBERA wegen mangelnder Daten nicht empfohlen, bei schwerem Asthma oder schwerer COPD ist es kontraindiziert.2 In Studien zur Pharmakokinetik mit Freiwilligen ohne Diabetes mindert leichtes Asthma die Insulinaufnahme, während eine COPD die Absorption verdoppelt.15

BLUTZUCKEREINSTELLUNG UND HYPOGLYKÄMIEN: Von den fünf vollständig veröffentlichten Phase-3-Studien 7-11 mit insgesamt 1.416 Patienten vergleichen drei 24-wöchige auf Nichtunterlegenheit angelegte Untersuchungen EXUBERA mit subkutan injiziertem Insulin.7- 9 An zwei dieser drei Studien haben Patienten mit Typ-1-Diabetes teilgenommen,7,8 an der dritten Patienten mit Typ-2-Diabetes.9 EXUBERA wird jeweils zu den Mahlzeiten zusätzlich zu ein- bis zweimal täglich injiziertem Verzögerungsinsulin verwendet. Nur in einer der drei Studien - bei Typ-1-Diabetes - erhält die Kontrollgruppe ein gleichwertiges Therapieschema, nämlich Verzögerungsinsulin plus Normalinsulin zu den Mahlzeiten (intensivierte Insulintherapie).7 In den beiden anderen wird in der Kontrollgruppe ein bei Typ-1-Diabetes nicht mehr standardgemäßes konventionelles Regime mit zwei- bis dreimal täglichen Insulininjektionen verwendet.8,9 In zwei weiteren zwölfwöchigen Studien bei Typ-2- Diabetes wird zu den Mahlzeiten inhaliertes EXUBERA allein oder als Zusatz zu oralen Antidiabetika gebraucht. Die Patienten der Kontrollgruppen nehmen ausschließlich orale Antidiabetika ein.10,11 Trotz des offenen Designs findet sich in keiner Studie ein Hinweis auf verblindete Endpunkterhebung.

An den Studien zum Typ-1-Diabetes (Einschlussalter 12 bis 65 Jahre) haben auch Jugendliche teilgenommen, für die EXUBERA nicht zugelassen ist.7,8 Die Altersgrenzen in den übrigen Studien sind 35 bis 80 Jahre.9-12 Das HbA1c darf eingangs nicht über 11% liegen. Von allen Studien sind Patienten mit Krankenhausbehandlungen wegen schlecht eingestelltem Diabetes im halben Jahr vor Studienbeginn oder Neigung zu schweren Hypoglykämien ausgeschlossen, außerdem Raucher und Patienten mit Lungenfunktionseinschränkungen wie Einsekundenkapazität (FEV1) unter 70% oder klinisch bedeutsamen Lungenerkrankungen wie schlecht kontrolliertes Asthma.7-12 In die Studien zum Typ-2-Diabetes kann insgesamt ein Viertel der potenziellen Teilnehmer wegen Lungenfunktionseinschränkungen nicht aufgenommen werden.12

Das HbA1c (primärer Endpunkt) sinkt in den 24-wöchigen Studien unter EXUBERA ähnlich wie unter subkutan injiziertem Insulin,7- 9 in dem Vergleich mit intensivierter Insulintherapie um -0,3% von eingangs 8,0% versus -0,1% von eingangs 7,9%.7 Eine therapeutische Gleichwertigkeit mit s.c.-Insulin im Rahmen der intensivierten Therapie des Typ-1-Diabetes ist unseres Erachtens dennoch nicht hinreichend nachgewiesen: Die EXUBERA-Therapie geht in dieser Studie signifikant häufiger mit schweren Hypoglykämien* einher (6,5 versus 3,3 Episoden pro 100 Patientenmonate; relatives Risiko [RR] 2,00; 95% Vertrauensbereich [CI] 1,28-3,12).7 Da die Anzahl der Insulininjektionen in der Kontrollgruppe vorgegeben war (vier pro Tag),7 mussten die Studienpatienten zudem offenbar ein relativ striktes Diätschema einhalten. Bei intensivierter Insulintherapie mit flexibler Diät, wie sie in Deutschland bevorzugt wird, müssen darüberhinaus Dosisanpassungen mit Unterschieden von einer Insulineinheit möglich sein. Da EXUBERA jedoch nur Dosisschritte von mindestens drei I.E. zulässt, wären hier noch mehr Probleme im Sinne schwerer Hypoglykämien oder auch eine schlechtere Blutzuckereinstellung zu erwarten. Schwere Hypoglykämien sind auch in den beiden Vergleichen mit konventioneller Insulintherapie unter EXUBERA numerisch häufiger.8,9

*

Als Endpunkt12 definiert durch: Fremdhilfe erforderlich plus neurologische Symptome wie Gedächtnisverlust, Verwirrtheit u.a. plus Blutzucker unter 50 mg/dl oder, falls keine Messung durchgeführt, Reversibilität durch Kohlenhydrate per os oder Glukose oder Glukagon parenteral. Eine FDA-Statistikerin stellt die Signifikanz der Berechnung infrage, da die Abhängigkeit der rezidivierenden Ereignisse voneinander durch das gewählte statistische Verfahren nicht berücksichtigt wurde (vgl. a-t 2006; 37: 50).18 Als Risikosignal ist dieser Befund jedoch sehr ernst zu nehmen, zumal auch die Rate der Patienten mit mindestens einer schweren Hypoglykämie numerisch höher ist (16% versus 14%) und die Studie für den Endpunkt gar nicht "gepowert" war.

In Studien zum Typ-1-Diabetes zeigt sich unter dem inhalativen Insulin ein Trend zu häufigeren schweren Unterzuckerungen in den frühen Morgenstunden, mittags sind sie dagegen unter s.c.-Insulin häufiger. In der einzigen Studie mit routinemäßiger Messung um 2 Uhr nachts gibt es auch hier mehr schwere Hypoglykämien unter dem inhalativen Insulin. Die Ursache für dieses Phänomen ist nicht geklärt.5

Im Vergleich mit oralen Antidiabetika hat EXUBERA einen signifikant günstigeren Einfluss auf das HbA1c, was mit einer zu erwartenden Zunahme von Hypoglykämien einhergeht.5,10,11 Eine für die Bewertung erforderliche Kontrollgruppe mit s.c.-Insulin fehlt in diesen Studien allerdings.

LEBENSQUALITÄT UND THERAPIEZUFRIEDENHEIT: In den beiden Vergleichen mit konventionellen Insulinregimen werden die als sekundärer Endpunkt erfasste Therapiezufriedenheit und Lebensqualität unter EXUBERA ohne nähere Angaben als besser beschrieben.8,9 Die Aussagekraft dieser Daten steht jedoch in Frage: Abgesehen davon, dass in diesen Studien unterschiedliche Therapieregime offen miteinander verglichen wurden, dürften, soweit ersichtlich, überwiegend Spritzen zum Selbstaufziehen verwendet worden sein.13 Ein Vergleich mit den leichter handhabbaren Pens fehlt demnach. Die Kontrollgruppen werden zudem durch häufige Blutzuckerselbstmessungen benachteiligt, die in der vorgegebenen Frequenz von mindestens viermal pro Tag8,9,14 mit der konventionellen Insulintherapie nicht zu begründen sind. Der Hersteller selbst betont gegenüber dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), dass "eine Unterscheidung der Patientenpräferenz ... zwischen inhalierbarem Insulin auf der einen und Pen- bzw. Spritzen-appliziertem Insulin auf der anderen Seite mit diesen Studien nicht möglich und auch nicht angestrebt worden war".13

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN UND SICHERHEIT: EXUBERA ruft bei jedem vierten Patienten Husten hervor. Auch andere Atemwegsbeschwerden wie Dyspnoe (4%), vermehrter Auswurf (bis 4%), Brustbeschwerden (5%), Nasenbluten (1%) oder Laryngitis (bis 1%) sowie Mundtrockenheit (2%) nehmen unter inhalativem Insulin zu.15 Mehr Patienten als unter s.c.-Insulin brechen in kontrollierten Phase-2/3-Studien die Anwendung wegen unerwünschter Atemwegseffekte ab (2% vs. 0%; wegen Husten: 1%), auch die Abbruchrate wegen unerwünschter Effekte insgesamt ist höher (3% vs. 1%).16 Zeitweilige nebenwirkungsbedingte Unterbrechungen kommen mit 5% vs. 1% unter EXUBERA ebenfalls häufiger vor.5 In einem FDA-Gutachen wird zudem der Verdacht geäußert, dass ein Teil der relativ häufigen Studienabbrüche, die mit "Widerruf des Einverständnisses" oder "Patient will nicht mehr länger teilnehmen" begründet werden, fehlkodiert wurde und in Wirklichkeit auf unerwünschten Wirkungen, mangelhafter Wirksamkeit oder Problemen mit dem Gerät beruht. Die Fehlkodierungen scheinen in den EXUBERA-Gruppen häufiger zu sein.5

Insulin ist ein potenziell immunogenes Polypeptid und hat neben metabolischen auch wachstumsfördernde Effekte. Es bestehen daher Bedenken, dass die chronische Exposition mit Insulin die Lunge langfristig schädigen könnte. Zur Beurteilung der Langzeitsicherheit und möglicher seltener Schadwirkungen wie Lungenkrebs oder Lungenfibrose reicht die bisherige Datenbasis nicht aus. Etwa 2.000 Erwachsene haben das Mittel länger als sechs Monate verwendet, etwa 800 länger als zwei Jahre.15 In kontrollierten Studien bis zu zwei Jahren beeinträchtigt EXUBERA die Lungenfunktion, gemessen an FEV1 und Diffusionskapazität. Im Mittel sind die Unterschiede zwar gering. Die Rate der Patienten mit deutlicher Lungenfunktionseinschränkung ist unter EXUBERA jedoch ebenfalls größer, beispielsweise betrifft eine Abnahme des FEV1 um mindestens 15% bei Typ-2-Diabetes 13% gegenüber 6% in den Kontrollgruppen.16 Derzeit lässt sich nicht abschätzen, wie sich die Lungenfunktion unter EXUBERA langfristig entwickelt. Deutliche Verschlechterungen könnten für kardial vorgeschädigte Patienten zudem zu kritischer Minderversorgung mit Sauerstoff führen. Ein Risikosignal sehen wir in Berechnungen einer FDA-Gutachterin, nach denen bei EXUBERA-Anwendern, die in mindestens einem Lungenfunktionstest eine deutliche Verschlechterung (z.B. FEV1 um > 15%) aufweisen, kardiovaskuläre Komplikationen anscheinend häufiger vorkommen (45 von 218; 20,6%) als in den Kontrollgruppen mit (26 von 154; 16,9%) oder ohne (202 von 1.512; 13,4%) deutliche Lungenfunktionseinschränkung.5 Die Fachinformation schreibt vor und während der Anwendung Lungenfunktionstests vor. Bei Abnahme der FEV1 um mehr als 20% ist EXUBERA abzusetzen.2

EXUBERA ruft eine stärkere Antikörperbildung hervor als subkutan gespritztes Insulin. Bei Verwendung eines quantitativen Tests lassen sich bei 75% aller Anwender mit initial unauffälligem Befund zu Studienende Insulinantikörper nachweisen, im Vergleich zu 10% unter s.c.-Insulin. Auch die mittleren Antikörperspiegel steigen unter inhalativem Insulin stärker an.5 Klinische Auswirkungen wie beispielsweise verschlechterte Blutzuckereinstellung lassen sich in den Studien zwar nicht feststellen, die langfristige klinische Bedeutung ist jedoch nicht bekannt.15

Die Anwendungssicherheit im Alltag wird wesentlich von einer adäquaten Schulung von Patienten und medizinischem Personal abhängen. Die Effizienz des vom Hersteller angebotenen Schulungsprogramms lässt sich mangels veröffentlichter Daten jedoch nicht beurteilen. Das britische National Institute of Clinical Excellence lehnt in einem ersten Leitlinienentwurf die Kostenerstattung für EXUBERA durch die staatliche Krankenversorgung ab.17 Das IQWiG sieht beim derzeitigen Kenntnisstand keine hinreichenden Belege für einen therapeutischen Zusatznutzen durch EXUBERA.13

KOSTEN: Die dreimal tägliche Inhalation von je 6 mg (zwei 3-mg-Blister) EXUBERA, entsprechend 48 I.E., kostet 6,86 € pro Tag. Damit ist inhalierbares Insulin fünfmal teurer als kurz wirksames Humaninsulin in Nachfüllpatronen eines Insulin-Pens (ACTRAPID bzw. INSULIN BB RATIOPHARM RAPID: 1,41 € bzw. 1,24 € für 48 I.E./Tag).

  • Das seit Mai erhältliche inhalative Insulin EXUBERA kann als kurzwirksames Insulin nur subkutan injiziertes (s.c.) Normalinsulin zu den Mahlzeiten ersetzen. Verzögerungsinsuline müssen weiterhin gespritzt werden.
  • Ein Wirksamkeitsvorteil im Vergleich mit s.c.-Insulin ist nicht belegt. Im Rahmen der intensivierten Insulintherapie des Typ-1-Diabetes ist auch die therapeutische Gleichwertigkeit nicht hinreichend erwiesen.
  • Schwere Hypoglykämien kommen in den veröffentlichten Studien unter EXUBERA häufiger vor als unter s.c.-Insulin und aus ungeklärter Ursache offensichtlich häufiger nachts und in den frühen Morgenstunden.
  • Bei jedem Vierten ruft EXUBERA Husten hervor. Auch andere Atemwegsbeschwerden sind häufig. EXUBERA wird öfter als s.c.-Insulin wegen unerwünschter Wirkungen abgesetzt.
  • Dass das inhalative Insulin Lebensqualität und Therapiezufriedenheit verbessert, lässt sich aus bisherigen Studien nicht ableiten.
  • Unter 18-Jährige, Raucher und Patienten mit Lungenerkrankungen dürfen EXUBERA nicht anwenden.
  • Die Anwendungssicherheit im Alltag und die langfristige Lungenverträglichkeit der chronischen Inhalation von Insulinpulver sind ungeklärt.
  • EXUBERA verteuert die Therapie auf das Fünffache.
  • Wegen negativer Kosten-Nutzen-Relation und ungeklärtem Schädigungspotenzial halten wir derzeit die Anwendung außerhalb von Studien für nicht vertretbar.

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Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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