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Nebenwirkungen

ZUM MISSBRAUCHSPOTENZIAL VON PREGABALIN (LYRICA)

Seit September 2004 ist das Antiepileptikum Pregabalin (LYRICA) in Europa zur Zusatzbehandlung bei fokalen Anfällen und zur Schmerzbehandlung bei peripherer Neuropathie im Handel (a-t 2004; 35: 104, 113). In den USA durfte die Molekülvariante von Gabapentin (NEURONTIN u.a.) erst nach Listung als Substanz mit Missbrauchspotenzial auf den Markt gebracht werden. Bereits in Versuchen mit Affen ist aufgefallen, dass Pregabalin die selbst gesteuerte Aufnahme des Wirkstoffes erhöht. In klinischen Studien wird häufig Euphorie erfasst, bei durchschnittlich 5% von mehr als 8.000 Studienteilnehmern mit unterschiedlichen Indikationen und bei bis zu 12% der Patienten mit generalisiertem Angstsyndrom.2 Von den in den USA vermarkteten Arzneimitteln erreicht lediglich das Cannabinoid Dronabinol (USA: MARINOL; a-t 2003; 34: 21-2) vergleichbare Inzidenzen in klinischen Studien.2 Beschrieben wird das Gefühl, "high" oder betrunken zu sein, zu schweben sowie exzessives Glücklichsein. In einer speziell zur Frage des Missbrauchspotenzials beim Menschen durchgeführten Studie ähnelt der zeitlich verzögert einsetzende psychotrope Effekt von Pregabalin (200 mg, 450 mg) jenem von Diazepam (VALIUM, 15 mg, 30 mg), ist im Gegensatz zu diesem in der höheren Dosis aber eher stimulierend. Es scheint nicht mit dysphorischen Effekten gekoppelt zu sein.2

Wie andere Antiepileptika muss Pregabalin ausschleichend abgesetzt werden, auch bei Anwendung zur Schmerzbehandlung. Nach abruptem Absetzen nach Einnahme wegen postherpetischer Neuralgie ist schwere Enzephalopathie beschrieben.4

Eineinhalb Jahre nach Markteinführung wird eine Warnung vor Entzugssymptomen auch in die deutsche Fachinformation aufgenommen.3 Im Gegensatz zur Information amerikanischer Anwender5,6 vermissen wir hierzulande jedoch den klaren Hinweis auf möglichen Missbrauch.

Das verwandte Gabapentin, in der Szene als "Vitamin G" bekannt und durch Meldungen im amerikanischen Frühwarnsystem zur Erfassung von Medikamentenmissbrauch (DAWN*) aufgefallen, soll nun ebenfalls auf sein Missbrauchspotenzial überprüft werden.2

Aktuell geht uns ein NETZWERK-Bericht über schwere Entzugssymptomatik nach einjähriger Einnahme von Pregabalin zu. Eine 25-jährige depressive Patientin mit Zustand nach Tuberkulose hat das Antiepileptikum wegen therapieresistenter Schmerzen nach Pleurapunktion eingenommen. Ein Auslassversuch geht mit massiven Schmerzen, Depression, Albträumen, Schlaflosigkeit, Schweißausbrüchen und Angst vor Erstickung in geschlossenen Räumen einher. Eine stationäre Entzugsbehandlung wird erforderlich (NETZWERK-Bericht 14.082).**


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