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Nebenwirkungen

KIEFERNEKROSEN UNTER BISPHOSPHONATEN
- EIN KLASSENEFFEKT?

Nach der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft1 warnt nun auch das BfArM2 vor Knochennekrosen des Kiefers in Verbindung mit Bisphosphonaten, vor allem Pamidronat (AREDIA) und Zoledronat (ZOMETA). Die schwer therapierbaren Defekte treten häufig nach zahnmedizinischen Eingriffen auf und imponieren klinisch beispielsweise als lokale Entzündung mit freiliegendem Kieferknochen oder Osteomyelitis.

Wie angesichts der Anwendungsgebiete von Pamidronat und Zolendronat zu erwarten, bestehen bei vielen Betroffenen weitere Risikofaktoren wie Krebserkrankung, Chemo- und Strahlentherapie oder Steroidgebrauch. Gegen ein zufälliges Zusammentreffen spricht jedoch die Beobachtung von Ärzten einer New Yorker Klinik für Mund- und Kieferchirurgie: Ihnen fällt eine Häufung von Patienten mit hartnäckigen Knochenentzündungen und -nekrosen auf, die klinisch und radiologisch einem Krankheitsbild nach Bestrahlung des Kiefers gleichen. Während sie diese so genannten Osteoradionekrosen mit ein bis zwei Personen pro Jahr weiterhin selten beobachten, dokumentieren sie nach einer retrospektiven Auswertung innerhalb von zweieinhalb Jahren 63 Patienten, die unter Bisphosphonaten eine Knochennekrose des Kiefers entwickelt haben, ohne dort zuvor bestrahlt worden zu sein. Bei allen wurde eine Osteolyse bioptisch ausgeschlossen.3

Ursächlich für die Knochennekrosen könnten eine Hemmung des physiologischen Knochenumbaus sowie antiangiogenetische Eigenschaften sein. Bisphosphonate verweilen Monate bis Jahre, eventuell lebenslang im Knochen und werden nicht verstoffwechselt. Ausbildung weiterer Nekrosen trotz Absetzens ist beschrieben.3

Das BfArM empfiehlt jetzt eine zahnärztliche Untersuchung vor Therapiebeginn. Unter der Behandlung sind zahnmedizinische Eingriffe "auf das erforderliche Minimum" zu begrenzen.2 Die Fachinformationen von Pamidronat und Zoledronat werden entsprechend angepasst. Ein Hinweis fehlt jedoch bei Alendronat (FOSAMAX)4 und Risedronat (ACTONEL).5 In der retrospektiven Auswertung der New Yorker Ärzte haben jedoch 7 der 63 Patienten wegen Osteoporose Alendronat (6) oder Risedronat (1) eingenommen.3

Auch im NETZWERK dokumentieren wir einen entsprechenden Bericht: Eine Diabetikerin, die wegen Osteoporose Alendronat einnimmt, klagt nach Zahnextraktion im rechten Oberkiefer über rechtsseitige schnupfenartige Beschwerden. Nach Diagnose einer dentogenen eitrigen Sinusitis maxillaris werden in der Klinik eine Entzündung und Nekrose des Oberkieferknochens mit Fistelbildung zwischen Mund und Kieferhöhle festgestellt. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit Knochennekrosen unter Bisphosphonaten empfehlen die behandelnden Kieferchirurgen für diese Patienten, bei Zahnextraktionen die gleichen Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten wie im bestrahlten Kiefer (sterile Kautelen, hoch dosierte Antibiose, sicherer primärer Nahtverschluss) und auch Schleimhautläsionen durch Prothesendruckstellen zu vermeiden (NETZWERK-Bericht 13.535).

 Unter den Bisphosphonaten Alendronat (FOSAMAX), Pamidronat (AREDIA), Risedronat (ACTONEL) und Zoledronat (ZOMETA) sind Knochennekrosen des Kiefers beschrieben. Es handelt sich offenbar um einen Klasseneffekt

 Vor der Anwendung sollte eine zahnärztliche Untersuchung und gegebenenfalls Sanierung erfolgen. Während der Behandlung sind zahnmedizinische Eingriffe möglichst zu vermeiden. Ausbildung weiterer Nekrosen nach Absetzen ist beschrieben.

 

1

Arzneimittelkomm. d. deutschen Ärzteschaft: Dt. Ärztebl. 2004; 101: A-2203

 

2

BfArM: Arzneimittelschnellinformation "Bisphonate und Knochennekrosen"; http://www.bfarm.de/de/Arzneimittel/am_sicher/am_sicher_asi/index.php?more=asi0501.php

 

3

RUGGIERO, S.L. et al.: J. Oral. Maxillofac. Surg. 2004; 62: 527-34

 

4

MSD: FOSAMAX Fachinformationen, Stand Mai 2004

 

5

Procter & Gamble: ACTONEL Fachinformationen, Stand Juli 2002/Jan. 2003

© 2005 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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