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                            a-t 2004; 35: 101-2nächster Artikel
Im Blickpunkt

ANGELIQ ZUR "HORMONSUBSTITUTION":
"Niedrig dosierte" Hochdosiskombination

2002 hat die vorzeitig abgebrochene WHI*-Studie belegt, was sich schon länger abzeichnete: Die Einnahme von konjugierten Östrogenen plus Medroxyprogesteronazetat (CLIMOPAX) steigert das Risiko von Herzinfarkten, Schlaganfällen, venösen Thromboembolien und Brustkrebs (a-t 2002; 33: 81-3). Dabei fördern Hormone nicht nur die Entwicklung von Mammakarzinomen, sondern verzögern gleichzeitig die Diagnose, vermutlich wegen der höheren Strahlendichte des Brustgewebes unter der Einnahme (a-t 2003; 34: 72). Ein Jahr nach Erscheinen der WHI-Studie bestätigt die epidemiologische Million Women Study das erhöhte Brustkrebsrisiko. Die größte Gefährdung besteht demnach bei Einnahme von Östrogen-Gestagen-Kombinationen. Die verschiedenen Gestagene unterscheiden sich dabei nicht. Erstmals wird auch ein Trend zu erhöhter Brustkrebssterblichkeit dokumentiert (a-t 2003; 34: 80).

Jetzt, wiederum ein Jahr später, hält die Schering AG offenbar die Zeit für gekommen, mit ANGELIQ eine neue Kombination zur postmenopausalen Hormonsubstitution und Osteoporoseprävention auf den Markt zu bringen. Die ursprünglich für vergangenen Herbst geplante Einführung war verschoben worden, weil die Firma das Mittel nicht zu einem Zeitpunkt auf den Markt bringen wollte, als potenzielle Anwenderinnen durch die Studienergebnisse verunsichert waren.1 ANGELIQ enthält 1 mg Estradiol plus 2 mg Drospirenon, ein von Schering entwickeltes, nur spärlich erprobtes Gestagen, das sich vom Aldosteron-Antagonisten Spironolakton (ALDACTONE u.a.) ableitet und auch in den Kontrazeptiva PETIBELLE und YASMIN enthalten ist (a-t 2000; 31: 103-4 und 2002; 33: 54).

Eine "Hormonbehandlung sollte mit der niedrigst-möglichen Dosierung durchgeführt werden", fordert Schering in einem "Ratgeber" für Patientinnen2 (siehe Kasten Seite 102). Das mag gut klingen, trifft aber für ANGELIQ in Deutschland nicht zu: In zwei randomisierten plazebokontrollierten Studien, in denen der Effekt von 1 mg, 2 mg oder 3 mg Drospirenon, jeweils in Kombination mit 1 mg Estradiol, auf die Häufigkeit von Hitzewallungen bzw. die Knochendichte geprüft wird, sind zwar alle drei Gestagen-Dosierungen dem Scheinmedikament überlegen, unterscheiden sich aber untereinander nicht.3,4 In den USA, wo die Zulassung der Hormonkombination im Oktober 2002 unter dem Eindruck der Ergebnisse der WHI-Studie zunächst abgelehnt worden war,5 wird ANGELIQ nach der jetzt in Aussicht gestellten Zulassung mit 0,5 mg Drospirenon nur ein Viertel der hiesigen Gestagenmenge enthalten.6 Diese Dosis soll für den Schutz des Endometriums ausreichen.7

Mit den typischen Störwirkungen von Östrogen-Gestagen-Kombinationen für die Wechseljahre ist auch unter ANGELIQ zu rechnen. Vergleichsstudien mit anderen Hormontherapien sind allerdings nicht veröffentlicht. Durchbruch- und Schmierblutungen treten in den ersten drei Monaten bei 59% der Anwenderinnen auf, im zehnten bis zwölften Monat bei 27%. Etwa jede fünfte Frau klagt über Schmerzhaftigkeit der Brust.8 Dies ist auch der häufigste Grund für den Abbruch der Einnahme in Phase-3-Studien (19,3%), gefolgt von Scheidenblutungen (10%) und Kopfschmerzen (3,4%).9 Wie unter anderen Hormonkombinationen ist von einer erhöhten Gefährdung durch Brustkrebs und kardiovaskuläre Komplikationen auszugehen, bis geeignete Langzeitsicherheitsstudien das Gegenteil beweisen.

Die knapp dreimonatige Einnahme von ANGELIQ kostet 59 € und damit fast das Doppelte einer niedrig dosierten Hormonkombination wie ACTIVELLE (1 mg Estradiol plus 0,5 mg Norethisteronazetat; 32 €):

Mit ANGELIQ bringt Schering eine neue Hormonkombination für Frauen nach den Wechseljahren auf den Markt, die neben Estradiol mit Drospirenon ein wenig erprobtes Gestagen enthält.

Verglichen mit dem für die USA vorgesehenen ANGELIQ, das nur 0,5 mg Drospirenon enthält, handelt es sich bei der deutschen Variante mit 2 mg Drospirenon um ein Hochdosispräparat.

Wegen schwerwiegender Risiken wie der erhöhten Gefährdung durch Brustkrebs, Herzinfarkt und Thromboembolien sind Hormone bei Beschwerden der Wechseljahre möglichst zu meiden. Wenn überhaupt, sollten sie so kurz wie möglich und in geringstmöglicher Dosierung verwendet werden. Kombinationen mit besser erprobten Gestagenen wie beispielsweise mit Norethisteronazetat (in ACTIVELLE u.a.) ist dabei der Vorzug zu geben.

© 2004 arznei-telegramm

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