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Schwere allergische Reaktionen nach Tolperison (MYDOCALM): Nach Einnahme von Tolperison (MYDOCALM) und Diclofenac (VOLTAREN u.a.) wegen eines Bandscheibenvorfalls erleidet ein 47-jähriger Patient eine allergische Allgemeinreaktion mit Schock. Als er das Muskelrelaxans zwei Monate später erneut einnimmt, entwickelt sich wieder Schocksymptomatik mit Bewusstlosigkeit (NETZWERK-Bericht 13.124). Drei weitere Patienten erleiden in Verbindung mit Tolperison urtikarielle bzw. Erythema-exsudativum-multiforme-artige Hautveränderungen (12.229), schweres generalisiertes allergisches Exanthem (13.052) bzw. Urtikaria mit Schluckbeschwerden (13.219). Für das bereits vor 40 Jahren entwickelte Muskelrelaxans fehlen Wirksamkeitsbelege, die heutigen Standards entsprechen. Trotzdem war MYDOCALM 2002 das meist verordnete Präparat unter den Muskelrelaxanzien (GÜNTHER, J. in: SCHWABE, U., PAFFRATH, D. [Hrsg.]: "Arzneiverordnungs-Report 2003", Springer, Berlin 2003, Seite 660). In Ländern mit strengerer Arzneimittelüberwachung wie den USA oder Großbritannien ist Tolperison nicht (mehr) im Handel, sodass Störwirkungen in der wissenschaftlichen Literatur nur spärlich dokumentiert sind. Gehäufte anaphylaktische Reaktionen bis hin zum Schock veranlassten Allergologen der Genfer Universitätsklinik daher zu einer Recherche in der WHO-Datenbank: Dort werden in knapp der Hälfte (344 [48%]) der insgesamt 711 dokumentierten Berichte allergische Reaktionen vom Soforttyp wie Atemnot und anaphylaktischer Schock beschrieben (RIBI, C. et al.: Swiss Med. Wkly 2003; 133: 369-71). Die Schweizer Fachinformation zu MYDOCALM (Stand Juni 2001) weist ausdrücklich darauf hin, dass Patienten über das Risiko von Sensibilisierungsreaktionen sowie über deren Symptome zu informieren sind und die Behandlung bei Auftreten dieser "Alarmzeichen" sofort abzubrechen ist. Das Myotonolytikum ist dort unter gleichem Handelsnamen erhältlich. Lediglich die Hilfsstoffe unterscheiden sich vom deutschen Produkt. Der deutsche MYDOCALM-Vertreiber Strathmann kommentiert unsere Anfrage nach Überempfindlichkeitsreaktionen so: "Sollte Ihre Anfrage im Zusammenhang mit einer Schweizer Publikation stehen, so dürfen wir nachdrücklich darauf aufmerksam machen, dass lediglich der Handelsname mit unserem Präparat übereinstimmt. Das Arzneimittel, das sich in der Schweiz im Handel befindet ... weist ... eine andere Zusammensetzung auf. Mithin besitzt dieses Präparat auch ein völlig anderes allergisches Potenzial..." (Strathmann: Schreiben vom 16. April 2004). Dass es in der Veröffentlichung um internationale Daten geht, ist der Firma offenbar entgangen, -Red.

© 2004 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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