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Therapiekritik

BENIGNE PROSTATAHYPERPLASIE:
Alphablocker plus Finasterid (PROSCAR) besser als Einzelwirkstoffe?

Zur Linderung von Beschwerden bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) sind Alpha-1-Rezeptorenblocker wie Doxazosin (CARDULAR-URO u.a.) Mittel der Wahl. Sie setzen den Tonus der glatten Muskulatur von Prostata und Blasenhals herab und bessern Symptome und maximalen Harnfluss innerhalb weniger Wochen.1 Der 5-Alpha-Reduktasehemmer Finasterid (PROSCAR) verkleinert dagegen die Vorsteherdrüse, indem er die Umwandlung von Testosteron zum Prostatawachstum-fördernden Dihydrotestosteron hemmt. Finasterid wie auch der neuere Abkömmling Dutasterid (AVODART; a-t 2003; 34: 43) senken das Risiko eines akuten Harnverhalts und die Rate BPH-bedingter chirurgischer Eingriffe. Subjektive Symptome werden jedoch langsamer und anscheinend geringer beeinflusst.1

Die unterschiedlichen Angriffspunkte legen die Kombination beider Wirkprinzipien nahe. In zwei einjährigen Studien bringt die Einnahme von Finasterid zusätzlich zu Doxazosin bzw. Terazosin (FLOTRIN URO u.a.) gegenüber dem Alphablocker allein jedoch keinen Zusatznutzen hinsichtlich Beschwerdelinderung oder Verbesserung der Harnflussrate. Finasterid schneidet in beiden Untersuchungen nicht besser ab als Scheinmedikament (a-t 1996; Nr. 9: 90).2,3

In der jetzt veröffentlichten MTOPS*-Studie haben 3.047 Männer mit benigner Prostatahyperplasie und mittlerem Prostatavolumen von 35-37 ml durchschnittlich 4,5 Jahre lang Doxazosin, Finasterid, beide Mittel oder Plazebo eingenommen.4 Im Gegensatz zu den beiden früheren Untersuchungen wird als primärer Endpunkt hier eine als "klinische Progression" bezeichnete Kombination aus erstmaligem Auftreten von Zunahme BPH-typischer Beschwerden um mindestens 4 Punkte**, akutem Harnverhalt, Harninkontinenz, rezidivierendem Harnwegsinfekt oder Niereninsuffizienz ausgewertet. Solche primären Ereignisse, also ein Fortschreiten trotz Therapie, treten unter Scheinmedikament bei 128 Männern (17%) auf und damit deutlich häufiger als unter Doxazosin (11%), Finasterid (12%) oder beiden Wirkstoffen zusammen (6%). Die Kombination schneidet signifikant besser ab als Doxazosin oder Finasterid allein, die sich nicht unterscheiden. Männer mit initialem PSA-Spiegel über 4 ng/ml oder einem Prostatavolumen über 40 ml profitieren nach einer prädefinierten Analyse von (zusätzlichem) Finasterid stärker. Knapp 80% der primären Ereignisse betreffen Symptomverschlechterung.4

Wird der üblicherweise untersuchte Zielparameter Beeinflussung BPH-typischer Symptome betrachtet, also sowohl Verschlechterung als auch Verbesserung, in dieser Studie einer der sekundären Endpunkte, schneiden alle drei Behandlungsgruppen statistisch besser ab als das Scheinmedikament und die Kombination wiederum besser als die Einzelwirkstoffe (Plazebo -4,9 Punkte, Doxazosin -6,6, Finasterid -5,6, Kombination -7,4).4 Ob der Unterschied zwischen Doxazosin und der Kombination - 0,8 Punkte auf einer 35-Punkte-Skala - jedoch klinisch relevant ist, bezweifeln wir. Operationshäufigkeit und Risiko eines akuten Harnverhaltes sinken unter der Kombination nicht stärker als unter Finasterid allein. Für Doxazosin lässt sich hier kein Effekt nachweisen. Beide Ereignisse sind kein eigenständiger primärer oder sekundärer Endpunkt und kommen in dieser Untersuchung zudem sehr selten vor (Rate/100 Personenjahre unter Scheinmedikament 1,3 [Operationen] bzw. 0,6 [Harnverhalt]).4

Die typischen Störwirkungen von Alphablockern und Finasterid, z.B. Schwindel und orthostatische Fehlregulation bzw. erektile Dysfunktion, Libidoverlust, Gynäkomastie (a-t 1998; Nr. 3: 31) u.a., addieren sich bei kombinierter Einnahme. Ejakulationsstörungen, periphere Ödeme und Dyspnoe kommen sogar häufiger vor als unter den Einzelwirkstoffen. Vier Männer erkranken an Brustkrebs, alle unter Finasterid.4

Eine generelle Empfehlung zur Kombinationsbehandlung lässt sich aus der MTOPS-Studie nicht ableiten. Alphablocker bleiben Mittel der Wahl für die symptomatische Therapie der BPH. Möglicherweise kommt die (zusätzliche) Einnahme von Finasterid für Männer in Betracht, deren Beschwerden unter Monotherapie zunehmen oder die zu Behandlungsbeginn einen PSA-Spiegel über 4 ng/ml oder ein Prostatavolumen über 40 ml aufweisen.1

Eine Klärung der Nutzen-Risiko-Bilanz des 5-Alpha-Reduktasehemmers steht letztlich aus. In einer siebenjährigen Untersuchung zur Prävention von Prostatakrebs mit knapp 19.000 gesunden Männern wird unter Finasterid zwar seltener ein Karzinom der Vorsteherdrüse diagnostiziert als unter Plazebo. In der Finasterid-Gruppe finden sich jedoch deutlich häufiger aggressivere Tumoren (a-t 2003; 34: 70). Auch der Einfluss des 5-Alpha-Reduktasehemmers auf die Entwicklung von Karzinomen der männlichen Brust bleibt unseres Erachtens zu klären.

Die 4,5-jährige kombinierte Einnahme des Alphablockers Doxazosin (CARDULAR-URO u.a.) und des 5-Alpha-Reduktasehemmers Finasterid (PROSCAR) beeinflusst Beschwerden bei benigner Prostatahyperplasie statistisch stärker als jeder Wirkstoff für sich allein. Klinisch erachten wir die Unterschiede jedoch als unbedeutend.

Unter der Kombination schreitet die Erkrankung seltener fort, vor allem gemessen an der Zunahme BPH-typischer Symptome. Auch unter Scheinmedikament sind davon jedoch nur 17% der Männer betroffen (Kombination 6%).

Alphablocker bleiben Mittel der Wahl zur symptomatischen Behandlung. Finasterid allein oder als Zusatz kommt nur nach sorgfältiger Aufklärung über die ungeklärten Langzeitrisiken des 5-Alpha-Reduktasehemmers, vor allem hinsichtlich einer möglichen Gefährdung durch aggressive Prostatakarzinome und Brustkrebs, bei Versagen der Monotherapie in Betracht oder für Männer mit einem PSA-Spiegel über 4 ng/ml bzw. einem Prostatavolumen über 40 ml.



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Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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