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Übersicht

ATOPISCHE DERMATITIS (II) -
SONSTIGE THERAPEUTISCHE MASSNAHMEN

In a-t 2003; 34: 35-8 beschrieben wir die Behandlung der unkomplizierten atopischen Dermatitis sowie Mittel der Reserve bei schweren therapieresistenten Formen. Es folgt eine Bewertung weiterer Maßnahmen, die bei der entzündlichen Hauterkrankung Verwendung finden.

 Juckreiz gehört zu den quälendsten Symptomen der atopischen Dermatitis. Unter der Vorstellung, diesen über eine Blockade der Histaminrezeptoren in der Haut verringern zu können, werden verbreitet systemische Antihistaminika empfohlen. Die Datenlage ist jedoch ernüchternd: Ältere sedierende H1-Blocker wie Dimetinden (FENISTIL) und der H2-Antagonist Cimetidin (TAGAMET u.a.) wirken in mehreren Studien nicht besser als Plazebo.1 Auch Ranitidin (ZANTIC u.a.) lässt sich auf der Basis einer einzigen Studie an 47 Patienten mit Handekzem2 nicht empfehlen. Für neuere, weniger sedierende Antiallergika wie Cetirizin (ZYRTEC u.a.) ist die Datenlage kaum besser: In der ETAC*-Studie, der mit Abstand größten Untersuchung mit 817 ein- bis zweijährigen Kindern mit atopischer Dermatitis, lindert 18- monatige Einnahme von Cetirizin die Schwere der Hautläsionen nicht besser als Plazebo (sekundärer Endpunkt).3 Auch die Entwicklung von Asthma bronchiale (primärer Endpunkt) wird nicht verhindert (a-t 1999; Nr. 4: 46).4 In einer weiteren Studie mit 178 Erwachsenen wirken nur 40 mg Cetirizin, also das Vierfache der zugelassenen Dosis, besser als Scheinmedikament, nicht aber 10 mg bis 30 mg.5 Andere, zumeist kleinere und qualitativ schlechtere Untersuchungen ergeben keine oder nur geringe Vorteile für neuere Antiallergika.1

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ETAC = Early Treatment of the Atopic Child

Der Mastzellenstabilisator Cromoglizinsäure (PENTATOP u.a.) ist bei Nahrungsmittelallergie mit Ekzem, Juckreiz u.a. zugelassen. Ein Nutzen bei atopischer Dermatitis lässt sich in randomisierten Studien nicht feststellen.1

 Zur örtlichen Juckreizlinderung werden hierzulande das Lokalanästhetikum Polidokanol (ANAESTHESULF) oder synthetische Gerbstoffpräparate (TANNOLACT u.a.) empfohlen.6 Klinische Studien finden wir jedoch nicht. Teerhaltige Externa (BASITER u.a.) sollen antipruriginös und entzündungshemmend wirken und werden seit Jahrzehnten auf chronischen Läsionen angewendet. In einem vierwöchigen unverblindeten Rechts-Links-Vergleich an 30 Patienten wirkt Teer nicht schlechter als Hydrokortison 1%.7 Wegen möglicher mutagener und kanzerogener Effekte von Teerverbindungen ist unseres Erachtens Zurückhaltung geboten. Bufexamac (PARFENAC u.a.) soll Entzündungserscheinungen bei atopischer Dermatitis mildern. Ein Nutzen des nichtsteroidalen Antiphlogistikums ist nicht belegt. Auffällig rasch kommt es zu schweren Kontaktallergien (vgl. a-t 2003; 34: 40 und 1998; Nr. 9: 84).

 Die Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis ist deutlich häufiger mit Staphylococcus aureus besiedelt als bei Hautgesunden. Eine pathogene Rolle des Keims in Hautarealen ohne klinische Zeichen einer Infektion ist jedoch fraglich und ein Nutzen lokaler Antibiotika wie Fusidinsäure (FUCIDINE) oder Antiseptika wie Polyvidon-Jod (BETAISODONA Salbe) allein oder in Kombination mit Kortikosteroiden nicht hinreichend belegt.1 Die Verwendung von Lokalantibiotika birgt zudem die Gefahr rascher Resistenzentwicklung gegen den entsprechenden systemischen Wirkstoff. Einzig Mupirocin (INFECTOPYODERM), das sich chemisch von systemischen Antibiotika unterscheidet, schneidet in einer kleinen, qualitativ eher schlechten Kurzzeit-Studie in Kombination mit Clobetasonbutyrat (EMOVATE) gegenüber dem Steroid allein hinsichtlich verschiedener klinischer Parameter positiv ab.8

Flucloxacillin per os (STAPHYLEX u.a.) beeinflusst in einer Studie mit 50 Kindern ohne klinische Zeichen einer bakteriellen Infektion den Schweregrad der atopischen Dermatitis nicht besser als Plazebo.9

 Neben Ciclosporin A (SANDIMMUN u.a.) werden gelegentlich andere, bei atopischer Dermatitis nicht zugelassene Immunsuppressiva wie Azathioprin (IMUREK u.a.) oder Mycophenolatmofetil (CELLCEPT) empfohlen.6 Unzureichende Prüfung und schlechte Verträglichkeit stehen unseres Erachtens deren Anwendung außerhalb klinischer Studien entgegen.

 Ein positiver Effekt verschiedener Diäten (z.B. Reduktion auf fünf bis acht Nahrungsmittel, eiweißfreie Formuladiät u.a.) lässt sich in mehreren Studien nicht belegen. Gleiches gilt für den Verzicht auf Kuhmilch und Eier bei unselektierten Patienten mit atopischer Dermatitis. Möglicherweise wirkt sich eine Ei-freie Diät positiv aus bei Kindern mit Verdacht auf Allergie gegen Hühnerei und Nachweis spezifischer IgE-Antikörper.1

 Der Nutzen von essenziellen Fettsäuren wie Gamolensäure (z.B. in Nachtkerzensamenöl [EPOGAM u.a.])** oder Omega-3-Fettsäuren (in Fischöl), Vitaminen (z.B. hoch dosiertem Vitamin E) oder Spurenelementen (z.B. Zink, Selen) ist unklar bzw. nicht belegt.1,10 Von Verwendung "traditioneller chinesischer Medikamente" (TCM) ist wegen der Gefahr bedenklicher Verunreinigungen (z.B. mit Kortikoiden, Östrogenen, Benzodiazepinen, Quecksilber) dringend abzuraten (a-t 2001; 32: 122 und 2002; 33: 31, 77-8).

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Die britische Arzneimittelbehörde hat kürzlich die Zulassung von Gamolensäure in Nachtkerzensamenöl als Arzneimittel zur Behandlung der atopischer Dermatitis wegen fehlender Wirksamkeitsbelege widerrufen (a-t 2002; 33: 107).

 Obwohl ein Zusammenhang von atopischer Dermatitis und Hausstaubmilbenkot als wahrscheinlich angesehen wird, gibt es nur wenige Studien, die therapeutische Möglichkeiten untersuchen. In fast allen werden mehrere Maßnahmen wie Verwendung Allergen-undurchlässiger Matratzenhüllen (Encasings), Versprühen Milben-abtötender Mittel (z.B. Benzylbenzoat) und/oder (zum Teil tägliches) Staubsaugen mit verschiedenen Vakuum-Filtersystemen geprüft. Ein klinischer Nutzen bleibt unklar.1,11

 Die atopische Dermatitis ist eine chronische Hauterkrankung. Als Basistherapie gelten wirkstofffreie Hautpflegemittel sowie im akuten Schub kurzfristig topische Kortikoide (vgl. a-t 2003; 34: 35- 8).

 Ein Nutzen verschiedener zur Juckreizlinderung verwendeter Mittel wie systemischer Antihistaminika (z.B. Cetirizin [ZYRTEC u.a.]) oder Externa wie Polidokanol (ANAESTHESULF), teerhaltiger Präparate (BASITER u.a) oder Bufexamac (PARFENAC u.a.) ist nicht hinreichend belegt.

 Fehlen klinische Zeichen einer bakteriellen Infektion der Haut, lassen sich auch systemische oder lokale Antibiotika sowie Antiseptika nicht empfehlen. Die Verwendung von Lokalantibiotika birgt zudem die Gefahr rascher Resistenzentwicklung gegen den entsprechenden systemischen Wirkstoff.

 Für Diäten, Gamolensäure (in EPOGAM u.a.), Omega-3- Fettsäuren, Vitamine und Spurenelemente fehlen Nutzenbelege. Von "traditionellen chinesischen Medikamenten" ist wegen der Gefahr bedenklicher Verunreinigungen dringend abzuraten.

 Der Stellenwert von Maßnahmen zur Verringerung von Hausstaubmilbenkot bleibt unklar.

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