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Erneut Negativstudie zu Johanniskraut (JARSIN u.a.): Knapp ein Jahr nach Publikation einer US-amerikanischen Negativstudie zu Johanniskraut (JARSIN u.a.; a-t 2001; 32: 62) erscheint erneut eine Untersuchung, in der ein Johanniskraut- Präparat bei Depression nicht besser wirkt als Plazebo. 340 Patienten mit "major depression" mittleren Schweregrades (nach DSM IV*, entspricht der schweren depressiven Episode nach ICD 10) nehmen teil. Neben der Johanniskraut- (900 mg bis 1.500 mg) und Plazebogruppe wird eine Kontrollgruppe mit dem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Sertralin (50 mg bis 100 mg; GLADEM, ZOLOFT) mitgeführt. Das primäre Zielkriterium der achtwöchigen Studie, die Rate der Patienten, die auf die Therapie vollständig ansprechen, wird am häufigsten in der Plazebogruppe erreicht (32%). Unter Johanniskraut und Sertralin sind es 24% bzw. 25% der Teilnehmer. Der durchschnittliche Punktwert auf der HAMILTON-Depressionsskala sinkt in allen drei Gruppen ohne signifikanten Unterschied. Nur in einem der sekundären Endpunkte, der Clinical-Global-Impression-Skala, findet sich ein signifikanter Vorteil von Sertralin gegenüber Plazebo. Über unerwünschte Wirkungen wird aber unter Johanniskraut und Sertralin deutlich häufiger geklagt als unter Plazebo. Durchfall, Übelkeit und Schwitzen sind unter Sertralin, Orgasmusstörungen unter Sertralin und Johanniskraut, häufiges Wasserlassen und Schwellungen unter Johanniskraut häufiger als unter Scheinmedikament. Vergesslichkeit ist unter Sertralin seltener (Hypericum Depression Trial Study Group: JAMA 2002; 287: 1807-14). Angesichts der mangelhaften Wirksamkeit von Sertralin erstaunt es, dass - wie in anderen Studien zum Vergleich von Johanniskraut mit synthetischen Antidepressiva (a-t 2000; 31: 15) - der Dosierungsspielraum nicht ausgeschöpft wird. Laut Protokoll ist nur eine maximale Tagesdosis von 100 mg erlaubt, die Hälfte der zugelassenen Höchstdosis. Selbst diese wird bei Studienende nur von 36% eingenommen. Im Vergleich dazu kann Johanniskraut bis zur maximal zulässigen Dosis von 1.500 mg gesteigert werden. Dies wird bei 54% der Patienten genutzt. Von einem Bias zu Gunsten des Prüfpräparates ist somit auszugehen. Die Studie wurde im Rahmen der vom JARSIN-Hersteller Lichtwer Pharma angestrebten Zulassung von Johanniskraut in den USA durchgeführt. Für die Verordnung von Johanniskraut gibt es nach wie vor keine wissenschaftliche Begründung, -Red.

© 2002 arznei-telegramm

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