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Neu auf dem Markt

ANAKINRA (KINERET) BEI RHEUMATOIDER ARTHRITIS

Nach den beiden Tumornekrosefaktor-α-Antagonisten Etanercept (ENBREL; a-t 2000; 31: 26-7) und Infliximab (REMICADE; a-t 2001; 32: 2-3) wird jetzt ein dritter biologischer Zytokinhemmstoff, der Interleukin (IL)-1 -Rezeptorantagonist Anakinra (KINERET), zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis angeboten. Anakinra ist in der EU nur als Zusatz zu Methotrexat (LANTAREL u.a.) zugelassen für Patienten, die auf Methotrexat allein nicht hinreichend ansprechen.1

EIGENSCHAFTEN: Den Zytokinen IL 1 alfa und IL 1 beta wird eine Rolle bei der systemischen Entzündung und dem Knochenabbau bei rheumatoider Arthritis zugeschrieben. Im Rahmen der körpereigenen Regulation der Immunreaktion hemmt ein endogener körpereigener IL-1- Rezeptorantagonist die entzündungsfördernden Effekte von IL 1 alfa und IL 1 beta. Anakinra ist eine rekombinante, nicht glykosylierte Form des humanen IL-1-Rezeptorantagonisten. Die Aminosäuresequenz von Anakinra unterscheidet sich von der der endogenen Form durch einen zusätzlichen produktionsbedingten N-terminalen Methionin-Rest.

Drei bis sieben Stunden nach Subkutaninjektion werden maximale Plasmakonzentrationen erreicht. Die terminale Halbwertszeit beträgt sechs Stunden. Anakinra muss täglich injiziert werden.1,2

KLINISCHE STUDIEN: Von den zulassungsrelevanten Studien verwendet nur eine das in der EU zugelassene Regime. Diese primär auf das Fortschreiten der Gelenkdestruktion angelegte Untersuchung ist bislang nicht vollständig veröffentlicht. Unter täglich 100 mg Anakinra s.c. als Zusatz zur einmal wöchentlichen Einnahme von Methotrexat (MTX) erreichen 94 (38%) von 250 Patienten mit rheumatoider Arthritis in 24 Wochen eine Besserung von mindestens 20% (ACR* 20) im Vergleich zu 55 (22%) von 251 unter MTX allein.1 Beim Vergleich von fünf Dosierungen (0,01 mg/kg Körpergewicht [KG] bis 2 mg/kg KG) jeweils zusätzlich zu Methotrexat schneidet täglich 1 mg/kg KG mit einer ACR-20-Ansprechrate von 46% gegenüber 19% unter Plazebo nach 12 Wochen am besten ab.1,3 In einer 24-wöchigen Studie zur Monotherapie mit Anakinra unterscheidet sich nur die höchste Tagesdosis von 150 mg mit einer Ansprechrate von 43% im Vergleich zu 27% signifikant von Plazebo.4

Direkte Vergleichsstudien mit Etanercept und Infliximab gibt es nicht. Zweimal wöchentlich 25 mg Etanercept zusätzlich zu MTX erzielen in einer kleinen Studie in 24 Wochen eine ACR-20-Ansprechrate von 71% vs. 27% unter MTX allein.5 Unter 3 mg/kg KG Infliximab alle acht Wochen plus MTX ist nach 30 Wochen eine ACR-20 von 50% vs. 20% beschrieben.6

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Häufigste Störwirkungen sind Reaktionen im Injektionsbereich mit Rötung, Schmerzen, Entzündung und Hautblutung. Sie werden unter täglich 100 mg bei 71% beschrieben. Typischerweise treten sie erstmals in den ersten vier Behandlungswochen auf, werden überwiegend als mild beschrieben und halten etwa zwei bis vier Wochen an. Reaktionen im Injektionsbereich sind die häufigste Ursache für Therapieabbruch.

12% der Anwender klagen über Kopfschmerzen. Anakinra kann das Blutbild verändern. In plazebokontrollierten Studien nehmen die durchschnittlichen Leukozyten- und Thrombozytenwerte leicht ab, der Anteil der eosinophilen Leukozyten leicht zu. 2,4% der Patienten entwickeln Neutropenie mit Werten unter 1,5/nl. Vor Beginn und während der Therapie ist die Neutrophilenzahl zu kontrollieren. Schwere Infektionen, die auf Immunsuppression hinweisen und Krankenhauseinweisung erfordern, sind bei 1,8% beschrieben. Es handelt sich vorwiegend um bakterielle Infektionen wie Phlegmonen, Pneumonie sowie Knochen- und Gelenkinfektionen.1,7

Die langfristige Immunogenität von Anakinra ist unbekannt. In der klinischen Prüfung lassen sich bei weniger als 1% der Patienten zu irgendeinem Zeitpunkt Antikörper mit neutralisierender Aktivität feststellen. Eine Korrelation zwischen klinischem Ansprechen oder unerwünschten Wirkungen und Antikörperbildung wird bislang nicht beobachtet. Ein erhöhtes Malignomrisiko unter Langzeitanwendung ist nicht auszuschließen.2

KOSTEN: Bezogen auf vier Wochen kostet Anakinra (KINERET; täglich 100 mg: 1.281 €) in Deutschland 40 % weniger als Etanercept (ENBREL; 2 mal 25 mg/Woche: 2.147 €) und 50% mehr als Infliximab (REMICADE; 200 mg pro 8 Wochen: 833 €). Die Zytokinhemmstoffe sind 80- bis 220fach teurer als Methotrexat (LANTAREL; wöchentlich 10 mg: 9,64 €/4 Wochen).

FAZIT: Der neue Interleukin-1-Rezeptorantagonist Anakinra (KINERET) scheint für Patienten mit rheumatoider Arthritis einen mäßigen zusätzlichen Nutzen in Kombination mit Methotrexat (LANTAREL u.a.) zu bringen. Anakinra muss täglich injiziert werden. Häufige schwere unerwünschte Wirkungen sind Blutschäden mit Neutropenie und Förderung schwerer Infektionen. Die Langzeitsicherheit ist nicht überschaubar. Der therapeutische Stellenwert im Vergleich mit den anderen toxischen Zytokinhemmstoffen Etanercept (ENBREL) und Infliximab (REMICADE) ist mangels Vergleichsstudien unklar, die Behandlungskosten sind hoch.

© 2002 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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