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Neu auf dem Markt

NOCH EIN CHINOLON: GATIFLOXACIN (BONOQ, BONOQ URO)

Im Rahmen der rationalen Antibiotikatherapie haben Gyrasehemmer Reservestatus - unter anderem wegen rascher Resistenzentwicklung infolge breiter Verordnung (a-t 1994; Nr. 2: 19 und 1999; Nr. 9: 91). Dessen ungeachtet wird mit Gatifloxacin (BONOQ, BONOQ URO) erneut ein Fluorochinolon ohne Einschränkungen gegen ambulant erworbene Pneumonie, akut exazerbierte chronische Bronchitis, akute Sinusitis, Harnwegsinfekt und Gonorrhoe sowie bei Haut- und Weichteilinfektionen angeboten1 (Werbung: "Aktion gegen Infektionen"2). Zur Zurückhaltung bei der Verordnung neuer Varianten mahnen auch die kurz nach Markteinführung erforderlichen Rücknahmen von Grepafloxacin (VAXAR; a-t 1999; Nr. 11: 120), Temafloxacin (TEFLOX; a-t 1992; Nr. 6: 53) und Trovafloxacin (TROVAN; a-t 1999; Nr. 7: 77-8) wegen Kardiotoxizität, hämolytischer Anämie u.a. bzw. Leberschädlichkeit - also drei "Abstürze" bei nur acht derzeit verfügbaren Gyrasehemmern.

EIGENSCHAFTEN:  Gatifloxacin unterscheidet sich von dem wegen Kardiotoxizität "abgestürzten" Grepafloxacin nur durch eine Methylether-Gruppe an Position 8 an Stelle einer Methyl-Gruppe an Position 5. Von Moxifloxacin (AVALOX) unterscheidet es sich andererseits nur durch den Molekülrest an Position 7 (vgl. Abbildung).

Das Wirkspektrum ähnelt dem von Moxifloxacin mit stärkerer Aktivität im gram-positiven Bereich als ältere Gyrasehemmer. Bei vielen gram-negativen Bakterien einschließlich Pseudomonas aeruginosa soll es ähnlich wirken wie Moxifloxacin und Levofloxacin (TAVANIC), aber schwächer als Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.). Gonokokkenresistenzen gegen Gyrasehemmer nehmen zu.3

KLINISCHE WIRKSAMKEIT: Vergleiche mit Standardantibiotika sind nicht publiziert. Aus den veröffentlichten kontrollierten Studien lassen sich keine klinischen Vorteile ableiten gegenüber Clarithromycin (KLACID) und Levofloxacin bzw. Ofloxacin (TARIVID u.a.) bei Pneumonie, akut exazerbierter chronischer Bronchitis, Haut- und Weichteilinfektionen oder Gonorrhoe.3

Die angebliche Überlegenheit im Vergleich mit Cefuroximaxetil (ELOBACT, ZINNAT)4 basiert auf der nachträglich eingeführten Teilauswertung einer Multizenterstudie, deren Gesamtergebnisse bisher offensichtlich unveröffentlicht sind. Vollständig publizierte Untersuchungen zu Sinusitis und Harnwegsinfekt finden wir nicht.

STÖRWIRKUNGEN: Die für Gyrasehemmer typischen unerwünschten Wirkungen sind auch unter Gatifloxacin zu erwarten. Gatifloxacin kann das QT-Intervall im EKG verlängern und löst im Tierversuch wie Grepa- und Sparfloxacin (ZAGAM) ventrikuläre Arrhythmien aus.5 Es ist deshalb für gefährdete Patienten kontraindiziert, zum Beispiel bei vorbestehender QT-Verlängerung.1 Die FDA hat weitere Studien zur Sicherheit von Gatifloxacin gefordert.5

DOSIS UND KOSTEN: Bei täglich 400 mg und Tageskosten von 11 DM verteuert Gatifloxacin die Behandlung bakterieller Infektionen gegenüber einem preiswerten Standardantibiotikum wie Amoxicillin (täglich 3,57 DM für AMOXI 1.000 mg ABZ) auf das Dreifache.

FAZIT: Wir sehen keinen Bedarf für die Pseudoinnovation Gatifloxacin (BONOQ, BONOQ URO). Der klinische Nutzen im Vergleich mit Standardantibiotika ist unzureichend dokumentiert. Wegen des QT-verlängernden Potenzials bei chemisch enger Verwandtschaft mit Grepafloxacin (VAXAR, außer Handel) und Moxifloxacin (AVALOX) bestehen Sicherheitsbedenken.

© 2001 arznei-telegramm

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