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vorheriger Artikela-t 2001; 32: 104 
Nebenwirkungen

PILLEN DER 3. GENERATION -HAFTUNGSFALLE: NICHT VERORDNEN

Praxen und Apotheken werden in einigen Wochen einen "Informationsbrief" zu oralen Kontrazeptiva der dritten Generation erhalten. Anlass ist die jetzt abgeschlossene Risikobewertung des Arzneispezialitätenausschusses CPMP der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA.1 Diese bestätigt die besondere Gefährdung durch "Pillen der dritten Generation" (a-t 1995; Nr. 11: 105-6 und 2001; 32: 84):

Kombinierte Kontrazeptiva mit den Gestagenen Desogestrel (in LOVELLE, MARVELON u.a.) und Gestoden (in FEMOVAN, MINULET) erhöhen das Risiko tiefer Venenthrombosen (venöse Thromboembolien, VTE) im Vergleich zu "Pillen" der zweiten Generation (z.B. mit Levonorgestrel: LEIOS, MINISISTON u.a.), auf das 1,5- bis 2-Fache (30 bis 40 VTE/100.000 Frauen-Anwendungsjahre statt 20 VTE/ 100.000). Die Gefährdung ist während des ersten Jahres einer erstmaligen Anwendung am höchsten.

In Deutschland nehmen derzeit 750.000 Frauen Kontrazeptiva der dritten Generation ein. Somit treten - unter Berücksichtigung der im EMEA-Bericht erwähnten Risikoangaben1 - allein in Deutschland im Vergleich zu Zweitgenerationskontrazeptiva bei jungen Frauen zusätzlich - also durch Präparatewechsel vermeidbar (!) - pro Jahr auf:

 75 bis 150 tiefe Venenthrombosen

 15 bis 30 postthrombotische Syndrome, z.B. mit Ödemen und offenen Beinen

 8 bis 15 Lungenembolien

 1 bis 3 Todesfälle

Die im Positionspapier des CPMP verharmlosend als "etwas erhöht"2 bezeichnete VTE-Gefährdung soll demnächst in den Produktinformationen erwähnt werden. Weitere Maßnahmen sieht die EMEA nicht vor. Damit verschiebt sie die Risikoabwehr und das daraus resultierende Haftungsrisiko auf den verordnenden Arzt. EMEA und EU-Bürokratie werden zunehmend zum Sicherheitsrisiko für die Bürger.*

In Großbritannien stehen jetzt Klagen von mehr als 100 geschädigten Frauen beziehungsweise deren Angehörigen gegen Hersteller von Drittgenerationspillen an, da diese unzureichend vor den Risiken gewarnt haben.3 Wird die besondere Gefährdung, wie von der EMEA vorgesehen, nur in den Beipackzettel aufgenommen und die Anwendung nicht eingeschränkt, verschieben sich die besondere Aufklärungspflicht und das Haftungsrisiko auf den verordnenden Arzt. Im Schadensfall muss dieser die Verordnung einer Desogestrel- bzw. Gestoden-haltigen "Pille" rechtfertigen. Dies dürfte schwer fallen, da Drittgenerationspillen keinen Zusatznutzen haben, der das erhöhte Risiko ausgleichen könnte (a-t 1999; Nr. 1: 20). Kontrazeptiva der dritten Generation müssen daher vom Markt.

© 2001 arznei-telegramm

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