logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2001; 32: 101-2nächster Artikel
Korrespondenz

KOMBIANALGETIKA VOM TYP THOMAPYRIN

Nachdem ich meinen Patienten seit Jahren versuche klarzumachen, dass Analgetika-Mischpräparate nur die Nebenwirkungsinzidenz erhöhen, Koffein an sich sinnlos sei, weil der Gehalt einer drittel Tasse Kaffee entspreche, gibt es jetzt mehrere positive Veröffentlichungen in der Ärzte Zeitung.1 Sollte man dies als Industriesponsoring verstehen, oder bin ich ein unbelehrbarer Fanatiker, der schon seit 20 Jahren davon redet, dass Mischpräparate vom Markt genommen werden sollten? Im Gegensatz zu Ihren bisherigen Warnungen (z.B. a-t 1998; Nr. 2: 13-4) stehen allerdings Veröffentlichungen von FEINSTEIN, A.R. et al.2

Dr. R. PETERS (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie)
D-52428 Jülich

Das Kombianalgetikum THOMAPYRIN (Parazetamol + Azetylsalizylsäure + Koffein) ist mit 18 Millionen Packungen jährlich (Verkäufe über öffentliche Apotheken) das in Deutschland meist verwendete Schmerzmittel. Neue Daten sollen angeblich Grundlagen für eine Neubewertung der Fixkombination liefern.1 Vielfach zitiert werden Empfehlungen der US-amerikanischen Migräne-Gesellschaft. Danach soll die Analgetikakombination als Mittel der ersten Wahl neben ASS-Monopräparaten (ASPIRIN u.a.) und anderen nichtsteroidalen Entzündungshemmern dienen. Die Empfehlung basiert auf drei gemeinsam publizierten Studien von nahezu identischem Design, in denen die Kombination bei Patienten mit üblicherweise nicht stark behindernder Migräne (keine Bettruhe erforderlich u.a.) in den ersten sechs Stunden des Anfalls besser abschneidet als Plazebo.2 Ein Vergleich mit Scheinmedikament eignet sich vielleicht für das Marketing, hilft jedoch nicht, den Stellenwert eines Mittels bei der Linderung von Migräneanfällen zu positionieren. Weil den Patienten der Plazebogruppe ein wirksames Mittel vorenthalten wird, erachten wir die Studien als unethisch. Bedenklich zudem: Der Erstautor und einer der Koautoren gehören zu den insgesamt sieben Verfassern der amerikanischen Leitlinie. Die Veröffentlichung wurde ohne die übliche Qualitätskontrolle (Review) in die Empfehlungen einbezogen.3

Auch der Präsident der deutschen Migräne-Gesellschaft (DMKG) stützt das THOMAPYRIN-Marketing auf einer von Boehringer Ingelheim ausgerichteten Veranstaltung.1 Wiederum wird versucht, auf einem Nebengleis Punkte zu sammeln: Nach einem Konsensus-Papier internationaler Experten sei nicht gesichert, dass Koffein-haltige Schmerzmittel stärker für die Entwicklung von Analgetika-Kopfschmerz verantwortlich seien als Monoanalgetika oder dass deren Entzug schwieriger sei als der anderer Kopfschmerz-induzierender Mittel.4 Ein weiteres Expertengremium unter derselben Leitung - von der Industrie und Leitungsbeamten der Behörden nach einer luxoriösen Bewirtung in einem Chateau-Hotel ausgewählt5 - hatte zuvor festgestellt, dass überzeugende Belege dafür fehlen, dass Phenazetin-freie Kombianalgetika nierenschädlicher seien als Einstoffpräparate.6 Umgekehrt kann es eine besondere Nierenschädlichkeit von Kombianalgetika nicht ausschließen.7 Expertenmeinungen sind nach den Regeln der Evidence based Medicine von äußerst geringer Aussagekraft, da sie von der jeweiligen Zusammensetzung des Gremiums abhängen und oft dem Marketing dienen.

Die den "neuen Daten" zu Grunde liegenden Reviews genügen nicht den wissenschaftlichen Standards (offenbar keine gezielte systematische Literaturrecherche, sondern "Zusammentragen" von Quellen u.a.) und eignen sich daher nicht, die begründeten Sicherheitsbedenken gegen Koffein-haltige Schmerzmittelkombinationen vom Typ THOMAPYRIN auszuräumen. Die nach aktuellen Schätzungen 2.000 bis 4.000 dialysepflichtigen Analgetika-Nephropathien in Verbindung mit der Einnahme von Schmerzmittelkombinationen in Deutschland lassen sich durch Expertenmeinung nicht wegdiskutieren (vgl. a-t 1994; Nr. 1: 16 und 1998; Nr. 2: 13-4). Solche Kombianalgetika werden nicht benötigt, -Red.

© 2001 arznei-telegramm

Autor: angegebene Leser bzw. Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 2001; 32: 101-2nächster Artikel