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Warnhinweis

MARKTRÜCKNAHME VON FSME-IMPFSTOFF TICOVAC ÜBERFÄLLIG

Der FSME-Impfstoff TICOVAC fällt durch Unverträglichkeit auf wie keine andere Vakzine zuvor. Im NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION überblicken wir seit Markteinführung vor fünf Monaten bereits Berichte über mehr als 100 Patienten. Welche und wie viele Meldungen dem Paul-EHRLICH-Institut (PEI) vorliegen, wird uns auf Anfrage nur pauschal ("mehrere Hundert")1 mitgeteilt. Durch Geheimhaltung der Sicherheitsdaten schützt das PEI den Hersteller, nicht aber Verbraucher und Ärzte.

Am 20. Juni 2000 schränkte das PEI den Gebrauch von TICOVAC ein: Keine Impfung von Kindern bis zu drei Jahren, Halbierung der Dosis für ältere Kinder bis 15 Jahre bei erster Immunisierung auf 0,25 ml und Verwendung ausschließlich für Personen, die sich in einem nach offiziellen Empfehlungen ausgewiesenen FSME-Hochrisikogebiet* aufhalten.2 Diese Maßnahmen werden nicht greifen, wie die vorliegenden Berichte über Unverträglichkeiten des Impfstoffes zeigen. Im NETZWERK ist etwa jeder dritte betroffene Impfling unter 15 Jahre alt. 13 der Kinder mit zum Teil drastischem Fieberanstieg über 40 Grad Celsius und anhaltenden Kopfschmerzen, starkem Erbrechen und/oder Gliederschmerzen haben bereits die erniedrigte Dosis (0,25 ml) erhalten. Dosishalbierung schützt somit nicht vor den gravierenden Impffolgen. Dies stellt der Hersteller Baxter auch in seinem jüngsten Rote-Hand- Brief fest.2 Wenn erst jetzt angesichts des eingetretenen Desasters "Dosisoptimierungsstudien" geplant sind (a-t 2000; 31: 55), ist das ein Skandal. Auch bei älteren Personen und Herz-Kreislaufkranken wird jetzt zur Zurückhaltung geraten.3

Dem NETZWERK wurden unter TICOVAC am häufigsten Fieber (n = 70), Schüttelfrost (n = 40), Kopfschmerzen (n = 52) und Gliederschmerzen (n = 19) berichtet. Selbst das PEI bezeichnet die Zahl der starken Fieberreaktionen nach erster Immunisierung als "ungewöhnlich hoch".2

Das Institut behauptet aber, dass TICOVAC "trotz der ungewöhnlich hohen Zahl von Nebenwirkungsmeldungen" erforderlich sei, weil es keinen anderen für Kinder zugelassenen Impfstoff gibt.2 Diese Einschätzung berücksichtigt nicht, dass gravierende FSME-Erkrankungen sehr selten sind. Deren Schwere ist zudem altersabhängig.4 Weil "FSME im Kindesalter generell gutartiger verläuft", wurde die Indikation zur Impfung erst schrittweise auf Kinder ausgedehnt.5 Dabei beruht der Wirksamkeitsnachweis nicht auf kontrollierten Studien, in denen Komplikationen bei Geimpften und Erkrankungen Nichtgeimpfter verglichen werden, sondern lediglich auf dem Surrogatkriterium Titeranstieg.6 Angeblich sei eine Vergleichsstudie zwischen Impfstoff und Plazebo unethisch. Wir erachten die Empfehlung zur Impfung von Kindern mit diesem risikoreichen Impfstoff für mindestens ebenso unethisch. Um ein extrem seltenes Ereignis mit einer infektionsbedingten bleibenden Schädigung beim Kind zu verhindern, akzeptiert das PEI regelmäßig auftretende, zum Teil Tage anhaltende gravierende Impfreaktionen. Da stimmt die Nutzen-Schaden-Bilanz nicht.

FAZIT: Der FSME-Impfstoff TICOVAC fällt durch häufige gravierende Störwirkungen auf. Er scheint beträchtlich schlechter vertragen zu werden als sein Vorläufer FSME-IMMUN und das Konkurrenzprodukt ENCEPUR. Logische Konsequenz ist, den unkontrollierten Feldversuch abzubrechen und das unzureichend geprüfte TICOVAC schleunigst vom Markt zu nehmen.

© 2000 arznei-telegramm

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